Auf einen Blick

Wir wollen, dass sich das Bundesministerium für Digitales und Verkehr bei der internationalen Seeschifffahrts-Organisation IMO massiv für eine Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen in der Seeschifffahrt einsetzt. Uns alle eint das Ziel, dass solche Havarien in Zukunft möglichst verhindert werden. Die veralteten Löschsysteme auf den Schiffen müssen modernisiert und Elektroautos als Gefahrgut deklariert werden.

In diesem Sinne wenden wir uns mit folgendem Brief an den Bundesminister Dr. Wissing:

 

Herrn
Dr. Volker Wissing
Bundesminister für Digitales und Verkehr
Invalidenstraße 44
10115 Berlin

– Vorab per E-Mail –

Nachrichtlich:

Herrn
Dr. Rolf Mützenich MdB
Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion
Platz der Republik 1
11011 Berlin

Frau
Kristina Vogt
Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation
Zweite Schlachtpforte 3
28195 Bremen

Bremen, 3. August 2023

Havarie der „Fremantle Highway“: Bessere Sicherheitsvorkehrungen für die Seeschifffahrt

Sehr geehrter Herr Bundesminister,

 

das Land Bremen hat eine lange und bedeutende Tradition als deutscher Hafenstandort. Über 14.000 Beschäftigte sind direkt in den Bremischen Häfen tätig und fertigen jährlich 6.000 Schiffe ab. Darunter auch über 1.000 Autotransporter: Allein 2022 wurden insgesamt 1,7 Millionen Fahrzeuge umgeschlagen, transportiert oder technisch bearbeitet. Damit sind wir Europas zweitgrößter Autoumschlaghafen. Der Anteil an Elektroautos liegt bei etwa zehn bis 15 Prozent und wächst stetig. Das ist grundsätzlich eine erfreuliche Entwicklung.

Aktuell gehen allerdings die verstörenden Bilder des seit Tagen im niederländischen Wattenmeer brennenden Frachters „Fremantle Highway“ um die Welt. Uns als SPD-Bürgerschaftsfraktion im Land Bremen ist es ein wichtiges Anliegen, dass das Risiko für solche schweren Brände zukünftig – soweit dies irgend geht – reduziert wird, weshalb ich mich in dieser Angelegenheit an Sie wende.

Die mit 3.800 Autos beladene „Fremantle Highway“ war auf dem Weg von Bremerhaven nach Port Said in Ägypten, als sie in Brand geriet. Ein Besatzungsmitglied starb beim Versuch sich vom brennenden Schiff zu retten, viele weitere wurden verletzt. Einige sprangen 30 Meter in die Tiefe. Der Brand der „Fremantle Highway“ ist bei weitem nicht das einzige Unglück dieser Art in den letzten Jahren. Anfang 2022 sank etwa die mit 4.000 Fahrzeugen beladene „Felicity Ace“ vor den Azoren, nachdem ein Brand an Bord für eine Woche loderte und nicht rechtzeitig gelöscht werden konnte.

Bedrohung für Leib und Leben der Schiffsbesatzungen

Die Gemeinsamkeit der beiden Unglücke besteht in der Tatsache, dass beide Frachter neben Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor eben auch Elektroautos geladen hatten und ein Entzünden dieser Fahrzeuge mutmaßlich ursächlich für die Brände gewesen sind. Das macht insbesondere für das Löschen der Brände einen erheblichen Unterschied. Herkömmliche Löschanlagen auf Containerschiffen und Autotransportern versuchen mit CO² den Sauerstoff zu verdrängen und so Brände zu löschen. Dies funktioniert allerdings nicht, wenn die in Elektroautos verbauten Lithium-Ionen-Batterien in Brand geraten – denn sie produzieren beim Verbrennen unter anderem Sauer- und Wasserstoff.

Brände auf Containerschiffen und Autotransporten stellen durch die Gefahr einer Havarie und den damit verbundenen Austritt von Schweröl also nicht nur eine Bedrohung für die Ökosysteme der Meere (und nicht zuletzt für die Tourismusbranche) dar, sondern insbesondere auch für das Leib und Leben der Menschen an Bord. Bevor Hilfe von außen eintrifft, sind die Schiffsbesatzungen für die Brandbekämpfung zuständig. Sie sind den Bränden von Elektroautos hilflos ausgesetzt.

Löschsysteme modernisieren, Elektroautos als Gefahrgut deklarieren

Tatsache ist: Der Brandschutz in der Seeschifffahrt hat in der Vergangenheit nicht mit der Größenentwicklung und den Brandlasten der Schiffe Schritt gehalten. Insbesondere sind die verfügbaren Löschsysteme nicht geeignet, die große Hitzeentwicklung zu verhindern und Brände von Lithium-Ionen-Batterien einzudämmen. Anders gesagt: Die von diesen Batterien ausgehenden Gefahren sind durch die aktuellen Sicherheitsstandards nur unzulänglich abgedeckt.

Das muss sich aus unserer Sicht dringend ändern. Um in Brandsituationen sowohl an Bord als auch in den Häfen angemessen reagieren und somit im Ernstfall Leben retten zu können, sollten Elektroautos dabei explizit gemeldet und registriert werden. Wir halten die Deklarierung von Elektroautos als Gefahrgut für unausweichlich. Dies wäre schon allein deswegen richtig, weil der separate Transport von Batterien ohnehin bereits als Gefahrgut klassifiziert werden muss. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum Batterien im verbauten Zustand nicht dieser Klassifizierung unterliegen.

IMO bleibt im Ungefähren – Stellungnahme des BMDV steht aus

Zuständig für die Sicherheitsbestimmungen auf See ist das Maritime Safety Committee (MSC) der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO). Als Sonderorganisation der Vereinten Nationen erarbeitet die IMO internationale Abkommen; der Brandschutz (FSS-Code) und die Klassifizierung von Gefahrgütern (IMDG-Code) in der Seeschifffahrt sind beispielsweise im SOLAS-Abkommen geregelt. Die Bundesrepublik Deutschland ist in der IMO durch Ihr Bundesministerium für Digitales und Verkehr vertreten.

Fakt ist: Obwohl die Notwendigkeit der Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen seit Jahren bekannt ist, ist die IMO bislang nicht tätig geworden. Die aktuelle Beteuerung der IMO, sich der Thematik jetzt zügig zu widmen, ist zwar grundsätzlich zu begrüßen. Dies darf aber nicht länger im Ungefähren bleiben. Deswegen sehen wir es als geboten an, dass sich die Bundesregierung nun mit vollem Nachdruck in der IMO für die Überarbeitung der Sicherheitsvorkehrungen einsetzt.

Dafür wollen wir Ihnen und Ihrem Haus von der Küste die größtmögliche Unterstützung anbieten. Denn es eint uns alle das Ziel, dass solche Havarien, wie wir sie in diesen Tagen beobachten, möglichst verhindert werden können. Offen gestanden sind wir in Anbetracht der vergangenen Tage ein wenig verwundert, dass aus Ihrem Haus zu dieser Angelegenheit bisher noch nichts verlautbart wurde.

Havarie in Häfen noch gravierender

Sollten die Sicherheitsvorkehrungen der Seeschifffahrt nicht zeitnah überarbeitet werden, ist es im Übrigen auch nicht auszuschließen, dass sich ein solch schweres Unglück auch direkt in einem Hafen ereignet. Die abzuschätzenden Folgen und Gefahren wären dabei noch ungleich gravierender als bei einem Brand auf offener See. Neben den Schiffsbesatzungen wären auch die Hafenbeschäftigten unmittelbar gefährdet; von der Infrastruktur im Hafen ganz zu schweigen.

Mit meinem Schreiben verknüpfe ich im Wesentlichen die Hoffnung, dass Tragödien wie der Brand der „Fremantle Highway“ zukünftig möglichst verhindert oder zumindest beherrschbarer eingedämmt werden können. Es ist an der Zeit, dass sich die Bundesregierung bei der IMO aktiv und nachhaltig im Sinne der ausgeführten Umstände für bessere Sicherheitsvorkehrungen in der Seeschifffahrt und damit für den Schutz der Schiffsbesatzungen einsetzt.

Für Rückfragen oder ergänzende Gespräche stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

 

Mustafa Güngör MdBB