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Güngör: „Damit wollen wir als Vorbild für andere Bundesländer dienen“

 

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion in Bremen hat ein neues Verfahren zur Einstufung von Risikospielen im Profifußball vorgeschlagen. „Mit diesem klaren Verfahren wollen wir eine bundesweite Vorreiterrolle einnehmen und damit auch als Vorbild für andere Bundesländer dienen“, erklärte der Fraktionsvorsitzende
Mustafa Güngör am Freitag in einer Pressekonferenz. Dazu hat Güngör auch die SPD-Fraktionen in den anderen Bundesländern angeschrieben.

Zum Hintergrund: Mitte Januar hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Bundesländer ihre Polizeikosten bei so genannten Hochrisikospielen dem Profifußball in Rechnung stellen können. Damit wurde ein zehn Jahre dauernder Rechtsstreit um die Rechtmäßigkeit dieser Gebühren beendet. Bremen hatte damals ein entsprechendes Gebührengesetz eingeführt – als bislang einziges Bundesland.

„Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war ein großer Erfolg für Bremen, vor allem auch eine gute Nachricht für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler“, wie Mustafa Güngör betonte. „Das Karlsruher Urteil hat dabei die Frage beantwortet, ‚ob‘ man solche Gebühren erheben kann. Jetzt müssen wir nach vorne schauen und das ‚wie‘ beantworten. Es muss nämlich darum gehen, eine möglichst praktikable und bundesweit einheitliche Lösung zu finden, um die Länderhaushalte tatsächlich überall zu entlasten – und auch, um eine Benachteiligung des SV Werder Bremen zu vermeiden. Es geht schließlich um viel Geld.“

Strukturiertes Verfahren für schnellere Rechtssicherheit

Der SPD-Vorschlag hat zum Ziel, in Aussicht stehende, langwierige Rechtsstreitigkeiten über die Höhe zukünftiger Polizeikosten vor den Verwaltungsgerichten zu vermeiden und damit schneller Rechtssicherheit herzustellen. Außerdem will die Regierungsfraktion verhindern, dass zusätzliche Ressourcen bei der Polizei für solch aufwendige juristische Auseinandersetzungen in Anspruch genommen werden. Beides würde sonst zu Lasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ausgetragen. „Konkret bedeutet dies, ein strukturiertes Verfahren zu einer gemeinsamen Risikoeinstufung durch alle Beteiligten zu schaffen und bei Bedarf eine außerprozessuale Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu ermöglichen“, erläuterte Güngör.

Bislang, so der Fraktionschef, werde die Entscheidung über ein Hochrisikospiel wie folgt getroffen: Heimverein, Gastverein und gegebenenfalls der DFB auf der einen und die Polizei auf der anderen Seite träfen jeweils eine Einschätzung über die Kategorisierung eines Spiels in Form eines Ampelsystems. Bei „rot“ handele es sich um ein Hochrisikospiel, bei „gelb“ ein Spiel unter Beobachtung und bei „grün“ bestehe kein Risiko. Diese Einschätzungen könnten auseinanderfallen – zum Beispiel „rot“ von der Polizei und „gelb“ durch den Veranstalter. Grundlage für einen Gebührenbescheid sei dabei allein die Einschätzung der Polizei.

Standardisierter Austausch und gemeinsame Schiedsstelle

Auch in Zukunft müsse für die sicherheitsrelevanten Maßnahmen am Ende die Prognose der Landespolizei maßgeblich sein, falls zwischen den Beteiligten kein Einvernehmen erzielt werden könne, betonte Güngör. Allerdings solle es zukünftig ein standardisiertes Verfahren durch Landespolizei, Heimclub, Gastclub und dem zuständigen Sportverband – zum Beispiel der Deutschen Fußball Liga (DFL) – geben, um zu einer möglichst einvernehmlichen Risikobewertung zu kommen. Falls erforderlich, könnten dabei weitere Experten (zum Beispiel Feuerwehr, Sanitätsdienst, Katastrophenschutz, Bundespolizei, Fanprojekte oder Sicherheitsdienst) hinzugezogen werden.

„Dieser verbindliche Austausch zwischen den Beteiligten soll alle tauglichen Erkenntnisquellen zusammenführen, um eine möglichst detaillierte und verläss-liche Prognoseentscheidung zu treffen“, wie der Sozialdemokrat weiter ausführte.

Hinzukommen solle künftig eine Art Schiedsstelle, die im Nachgang zu einem Spiel tätig werden kann. Im Falle von Meinungsverschiedenheiten – also etwa bei einer unterschiedlichen Risikoeinstufung und damit über den Umfang von polizeilichen Maßnahmen – könne diese Schiedsinstanz vor der Ausfertigung eines Kostenbescheids hinzugezogen werden und unter Anhörung der Beteiligten einen Schiedsspruch treffen. „Diese Instanz soll bestenfalls die Meinungsverschiedenheiten beseitigen und die Angelegenheit befrieden“, so Güngör. „Der weitere Zugang zur Verwaltungsgerichtsbarkeit ist damit nicht ausgeschlossen, aber das Risiko aufwendiger Gerichtsverfahren wird entscheidend verringert.“

Die Schiedsstelle solle mit „neutralen und kompetenten“ Personen besetzt sein, also mit juristischer und sicherheitsrelevanter Expertise. Planungsansatz seien dabei drei Personen, wobei es nach den Worten des Fraktionschefs denkbar wäre, den Vorsitz dem ehemaligen Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen anzuvertrauen. Das Verfahren soll sich an bewährten Prozessen anderer Schiedsstellen orientieren.

Größere Akzeptanz für das Bremer Modell

Mit diesem Vorschlag wolle die SPD-Fraktion „eine sinnvolle Lösung für den praktischen Umgang mit der Bremer Gebührenregelung präsentieren, die für alle Beteiligten schnell, transparent und zuverlässig die Angelegenheit klärt“, unterstrich Mustafa Güngör. „Damit schaffen wir auch in anderen Bundesländern eine größere Akzeptanz für das Bremer Modell.“

 

Verfahrensvorschlag zur einvernehmlichen Kategorisierung von Hochrisiko-spielen

 

  1. Ausgangslage
  • Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2025 hat bestätigt: § 4 Absatz 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes (BremGeb-BeitrG) ist verfassungskonform
  • Folge: Die Polizeikosten bei sogenannten Hochrisikospielen können den Veranstaltern auferlegt werden
  • Ausgangspunkt der Kostenbescheide ist die Einschätzung, dass es sich um eine Veranstaltung handelt, bei denen „wegen erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen vor, während oder nach der Veranstaltung am Veranstaltungsort, an den Zugangs- oder Abgangswegen oder sonst im räumlichen Umfeld der Einsatz von zusätzlichen Polizeikräften vorhersehbar erforderlich wird.“ (sogenannte Hochrisikospiele)
  • Doch wer entscheidet, ob es sich um ein Hochrisikospiel handelt?
  • Heimverein, Gastverein und ggf. der DFB auf der einen und die Polizei auf der anderen Seite treffen jeweils eine Einschätzung über die Kategorisierung eines Spiels in Form eines Ampelsystems (rot = Hochrisikospiel, gelb = unter Beo-bachtung, grün = kein Risiko).
  • Diese Einschätzungen können auseinanderfallen (zum Beispiel Einschätzung Polizei = rot; Einschätzung Veranstalter = gelb)
  • Grundlage für einen Gebührenbescheid nach § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG ist aber allein die Einschätzung der Polizei
  • Die Veranstalter werden sich bei abweichender Einschätzung erwartungsgemäß in langwierigen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten zur Wehr setzen
  • Polizeiliche Einsatzstunden werden auf diesem Wege hingegen nicht reduziert

 

  1. Vorschlag
  • Schaffung eines strukturierten Prozesses zur gemeinsamen Risikokategori-sierung durch alle wesentlichen Beteiligten und im Bedarfsfalle einer außer-prozessualen Beilegung von Meinungsverschiedenheiten

 

  • Gemeinsame Risikokategorisierung
    • Strukturiertes Verfahren zur einvernehmlichen Risikokategorisierung durch Landespolizei, Heimclub, Gastclub und dem zuständigen Sportverband (zum Beispiel die Deutsche Fußball Liga/DFL); erforderlichenfalls Inanspruchnahme weiterer Experten (Feuerwehr, Sanitätsdienst, Katastrophenschutz, Bundespolizei, Fanprojekte, Sicherheitsdienst, etc.).
    • Bestmögliche Objektivierung der Risikoprognose durch Verwendung standardisierter Parameter
    • Berücksichtigung von sowohl sicherheitsrelevanten als auch fan- bzw. fußballspezifischen Belangen in der Risikoabwägung
    • Sollte kein Einvernehmen erzielt werden (etwa aufgrund einer höheren Risikokategorisierung durch die Landespolizei) ist für die sicherheitsrelevanten Maßnahmen die Prognose der Landespolizei maßgeblich

 

  • Schiedsinstanz
    • Im Falle von Meinungsverschiedenheiten (das heißt insbesondere im Falle einer unterschiedlichen Risikokategorisierung oder bezüglich Art und Umfang von polizeilichen Maßnahmen) kann eine neutrale Schiedsinstanz durch die Beteiligten vor der Ausfertigung eines Kostenbescheids in Anspruch genommen werden
    • Schiedsinstanz evaluiert den Vorgang unter Anhörung der Beteiligten und trifft Schiedsspruch
    • Schiedsinstanz sollte mit neutralen und kompetenten Personen besetzt sein; bestenfalls mit der notwendigen juristischen und sicherheitsrelevanten Expertise
    • Verfahren sollte sich nach an den bewährten Prozessen anderer Schiedsstellen orientieren
    • Eine Inanspruchnahme der Schiedsinstanz soll bestenfalls die Meinungsverschiedenheiten beseitigen und die Angelegenheit befrieden; ein Ausschluss des Zugangs zu der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist damit hingegen nicht verbunden
  • Die Beteiligten sollten – unabhängig von der Schiedsinstanz – regelmäßig die getroffenen Risikokategorisierungen und darauf fußenden Maßnahmen evaluieren; parallel Intensivierung des Wissenstransfers sowie verschiedener Gesprächskanäle mit dem übergeordneten Ziel, die Einsatzstunden der Polizei zu reduzieren

 

  1. Erwägungen
  • Vermeidung einer Verlagerung potenzieller Uneinigkeiten vor die Gerichte
  • Schnellere Rechtssicherheit
  • Verringerung zusätzlicher Ressourcen bei der Polizei für die nachträgliche gerichtliche Bewertung
  • Verhältnismäßigere Ausgestaltung des dem § 4 Abs. 4 BremGebBeitrG zugrundeliegenden Entscheidungsverfahrens
  • Erhöhung der Akzeptanz bei Veranstaltern und in der Öffentlichkeit
  • Bundesweite Vorreiterrolle Bremens und somit auch Vorbildfunktion für andere Bundesländer

 

  1. Häufig gestellte Fragen (FAQ)

 

  1. Was soll so ein Schiedsverfahren überhaupt bringen?
  • Schnelle und einvernehmliche Klärung von Meinungsverschiedenheiten
  • Größere Akzeptanz bei allen Parteien
  • Vermeidung von langwierigen verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten und einer zusätzlichen Belastung der Gerichte und der Polizei (und damit auch des Steuerzahlers)
  • Fokus auf Verbesserung der Sicherheitslage und Vermeidung von polizeilichen Einsatzstunden und weniger auf „juristische Haarspalterei“

 

  1. Erzeugt so ein Schiedsverfahren nicht zusätzlichen Mehraufwand?
  • Das Gegenteil ist der Fall; die Sicherheitsbehörden sind so oder so dazu angehalten, die entstehenden Kosten darzulegen
  • Mit der Einführung eines standardisierten und transparenten Prozesses kann diese Darlegung einfacher erfolgen und schneller überprüft werden
  • Der Aufwand (und die Kosten) wären im Falle eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bedeutend höher

 

  1. Ist es wirklich angemessen und zielführend, mehrere Akteure anstatt alleine die Polizei über die Sicherheitslage bei einer Großveranstaltung entscheiden zu lassen?
  • Die weiteren Beteiligten entscheiden nicht über die sicherheitsbehördlichen Maßnahmen; die schlussendliche Risikobewertung wird alleine durch die Polizei getroffen
  • Der vorherige Austausch zwischen den Beteiligten soll der Inanspruchnahme aller tauglichen Erkenntnisquellen dienen, um eine möglichst detaillierte und verlässliche Prognoseentscheidung zu treffen
  • Die Schiedsstelle soll immer nur im Nachgang zu einem Spiel tätig werden

 

  1. Muss man sich für dieses Thema wirklich einen Sonderweg ausdenken?
  • Schiedsstellen sind bewährt und es gibt sie für eine Vielzahl von Themengebieten, unter anderem auch für Verbraucher im Bereich Luftverkehr, Versicherungs- und Kreditvermittlung, Telekommunikation – warum also nicht auch hier?

 

  1. Mit wem soll die Schiedsstelle besetzt werden? Werden diese Personenbezahlt?
  • Planungsansatz sind drei Personen, die die notwendige Expertise und Erfahrung haben, die einschlägigen Sachverhalte zu bewerten und ein solches Schiedsverfahren zu leiten
  • Denkbar wäre dies etwa dem Vorsitz von Jens Böhrnsen, Bürgermeister a.D., anzuvertrauen
  • Eine Aufwandsentschädigung ist bei Schiedsverfahren nicht unüblich und soll auch hier im angemessenen Umfang gewährt werden; die Kosten würden sich die beteiligten Parteien teilen

 

  1. Soll die Schiedsstelle nur für den Profifußball zusammentreten?
  • Aus der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass von der Gebührenregelung bisher nur Heimspiele des SV Werder Bremen betroffen waren, womit ein vorrangiger Zuschnitt auf den Profifußball naheliegt
  • Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass sich das Modell auf andere Veranstaltungen hin adaptieren lässt

 

  1. Was würde ein solches Verfahren für einen bundeseinheitlichen Solidarfonds bedeuten?
  • Mit diesem Vorschlag soll in erster Linie eine sinnvolle Lösung für den praktischen Umgang mit der Bremer Gebührenregelung präsentiert werden, die für alle Beteiligten schnell, transparent und zuverlässig die Angelegenheit klärt
  • Damit schaffen wir gleichzeitig in anderen Bundesländern eine größere Akzeptanz für das „Bremer Modell“

 

 

Pressekontakt

Andreas Reißig

Telefon: 0421 33 67 77

E-Mail: andreas.reissig@spd-fraktion-bremen.de