Unsere politische Arbeit für
Bremen & Bremerhaven

Ein Mensch geht am Rollator

Große Anfrage der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und DIE LINKE

 

 

Die Anzahl von älteren Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland und damit auch im Land Bremen ist in den letzten Jahren stark gewachsen, insbesondere seit 2015. Schätzungen zufolge leben im Land Bremen ca. 40.000 ältere Menschen mit Migrationsgeschichte über 60 Jahre, davon mindestens 24.000 über 65 Jahre. Unter „Menschen mit Migrationsgeschichte“ werden entsprechend dem Migrationsmonitoring der Länder sowohl Menschen mit eigener Migrationserfahrung als auch Menschen, die in Deutschland geboren sind aber mindestens einen Elternteil mit Migrationserfahrung haben, zusammengefasst.

Ältere Menschen mit Migrationsgeschichte stehen, ungeachtet der zum Teil langen Zeit, die sie bereits in Deutschland leben, oftmals vor spezifischen sozialen, psychosozialen, kulturellen und gesundheitlichen Herausforderungen. Dabei handelt es sich beispielsweise um Sprachbarrieren, Diskriminierungserfahrungen und soziale Isolation. Viele Angebote für ältere Menschen richten sich unbewusst eher an Menschen ohne Migrationsgeschichte und berücksichtigen so die Bedarfe von Menschen mit Migrationsgeschichte nicht immer ausreichend. Ebenso sind ältere Menschen mit Migrationsgeschichte häufiger von Brüchen in ihrer Erwerbsbiographie betroffen und leben somit wesentlich häufiger in Armut. Diese Herausforderungen unterscheiden sich deutlich von denen, vor denen Senior*innen ohne Migrationsgeschichte stehen. Menschen mit Migrationsgeschichte sind zudem keine homogene Gruppe, sondern umfassen Menschen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen, Lebensläufen und Lebenslagen und entsprechenden Bedürfnissen. Dies stellt die etablierten Hilfesysteme vor neue Aufgaben, damit die Bedürfnisse der älteren Menschen mit Migrationsgeschichte adäquat in den Fokus genommen werden können.

Es liegt deshalb nahe, dass die verstärkte sozial- und integrationspolitische Aufmerksamkeit sowohl der Anerkennung der Lebensleistungen älterer Menschen mit Migrationsgeschichte gelten sollte als auch der Verdeutlichung und Unterstützung ihrer Chancen und Potenziale. Dies bedeutet eine Förderung ihrer sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Integration sowie – wo nötig – auch eine Hilfestellung bei der Bewältigung ihrer besonderen Problemlagen. Bei der Bewältigung dieser Anforderungen spielen auch Migrant*innenorganisationen eine große Rolle, da sie auf die spezifischen Bedürfnisse älterer Menschen mit Migrationsgeschichte zumeist passgenau eingehen können.

Das Land Bremen hat sich in diesem Bereich mit dem „Rahmenkonzept gesellschaftliche Teilhabe und Diversity“ bereits auf den Weg gemacht, das Themenfeld Migration ganzheitlich zu bearbeiten. Der Senat widmet sich hier unter anderem den Themenfeldern Gesundheit, Pflege und ältere Menschen sowie der Rolle von Migrant*innenorganisationen in Bremen und Bremerhaven. Ein erster Umsetzungsbericht mit Erfolgen und Beispielen wurde in der Sozialdeputation vom 13.06.2024 vorgestellt. Diese große Anfrage dient daran anknüpfend dazu, einen detaillierten Gesamtüberblick über die Lebenssituation von älteren Menschen mit Migrationsgeschichte im Land Bremen zu bekommen und Verbesserungspotenziale zu identifizieren.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

  1. Wie viele ältere Menschen mit eigener Migrationsgeschichte (1. Generation) leben in Bremen und Bremerhaven (bitte differenzieren nach Geschlecht, nach Altersgruppen 50-65 und über 65 und nach Aufenthaltsstatus, Herkunftsland sowie Zuzugsmotiv) und wie viele Jahre leben diese Menschen bereits in Bremen und Bremerhaven (Angabe bitte, wenn möglich, differenzieren nach Durchschnitt und Median)?
  2. Wie viele ältere Menschen mit familiärer Migrationsgeschichte (2. Generation) leben in Bremen und Bremerhaven (bitte differenzieren nach Geschlecht und nach Altersgruppen 50-65 und über 65)?
  3. Wie gestaltet sich die wirtschaftliche Situation älterer Menschen mit Migrationsgeschichte in Bremen und Bremerhaven (bitte differenzieren nach 1. und 2. Generation sowie Selbständigen und ArbeitnehmerInnen) und in welchem Maße sind sie auf Sozialleistungen angewiesen (bitte nach Arten der Sozialleistungen nach dem SGB II und SGB XII differenzieren)?
  4. Inwieweit berücksichtigen soziale und kulturelle Angebote für ältere Menschen im Land Bremen (z.B. in Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände, Seniorenheime, Seniorenbüros, kommunale und religiöse Einrichtungen) bereits speziell die Bedarfe von älteren Menschen mit Migrationsgeschichte und welche Erkenntnisse hat der Senat darüber, in welchem Maße sie von älteren Menschen mit Migrationsgeschichte im Vergleich mit Menschen ohne Migrationsgeschichte genutzt werden?
  5. Welche speziellen Beratungs-, Unterstützungs- und Teilhabeangebote für ältere Menschen mit Migrationsgeschichte gibt es in Bremen und Bremerhaven und welche Erkenntnisse hat der Senat darüber, in welchem Maße sie nachgefragt werden?
  6. Welche Akteur*innen, einschließlich Migrant*innenorganisationen in Bremen und Bremerhaven, setzen sich speziell für ältere Menschen mit Migrationsgeschichte ein?
  7. Welche Kooperationen zwischen dem Senat und relevanten Akteur*innen, einschließlich Migrant*innenorganisationen, bestehen im Bundesland Bremen bereits und als wie erfolgreich werden sie mit dem Fokus auf ältere Menschen mit Migrationsgeschichte bewertet?
  8. Welche weitere Rolle können Migrant*innenorganisationen bei der Gestaltung der Senior*innenpolitik in Bremen und Bremerhaven spielen?
  9. Wie hoch ist der Anteil älterer Menschen mit Migrationsgeschichte in der Seniorenvertretung in der Stadtgemeinde Bremen, in dem Seniorenbeirat der Seestadt Bremerhaven sowie dem Internetportal Seniorenlotse und in welchem Maße gehen die genannten Institutionen auf die speziellen Wünsche und Bedürfnisse älterer Menschen mit Migrationsgeschichte ein?
  10. Wie stark sind ältere Menschen mit Migrationsgeschichte im Vergleich zu älteren Menschen ohne Migrationsgeschichte von Erwerbslosigkeit (50-65-Jährige) und Armut (50-65-Jährige und Ü65-Jährige) im Land Bremen betroffen (bitte differenzieren nach Bremen und Bremerhaven)? Was sind nach Ansicht des Senats Gründe für diese Unterschiede?
  11. Wie werden sich nach Meinung des Senats die sozioökonomischen Lebensverhältnisse angesichts des demografischen Wandels entwickeln und welche Maßnahmen sind geeignet, die soziale Lebenssituation älterer Menschen mit Migrationsgeschichte im Bundesland Bremen zu verbessern?
  12. Welchen spezifischen Bedarf sieht der Senat hinsichtlich der Verbesserung der Wohnverhältnisse, der Versorgungsstrukturen im Wohnquartier, der Freizeitangebote und der Begegnungsräume für Menschen mit Migrationsgeschichte im Land Bremen, und was plant der Senat, um diesen Bedarfen zu begegnen?
  13. Welche Kenntnisse hat der Senat darüber, inwieweit ältere Menschen mit Migrationsgeschichte im Land Bremen durch professionelle Pflegeeinrichtungen und -dienste erreicht oder durch Angehörige gepflegt werden, auch im Vergleich zu älteren Menschen ohne Migrationsgeschichte?
  14. Welche Herausforderungen sehen die Einrichtungen des Bremer und Bremerhavener Altenhilfesystems in Bezug auf den Versorgungsbedarf älterer Menschen mit Migrationsgeschichte oder welche werden an sie herangetragen und wie wird diesen Herausforderungen begegnet?
  15. Wie gestaltet sich die interkulturelle Öffnung von Pflegeeinrichtungen und -diensten in Bremen und Bremerhaven im Hinblick auf die Bedürfnisse älterer Menschen mit Migrationsgeschichte?
    1. Welche Anstrengungen sind hier in den letzten zehn Jahren unternommen worden und wie bewertet der Senat diese?
    2. Welche weiteren Maßnahmen plant der Senat und mit welchem Zeithorizont?
  1. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat zum Gesundheitszustand und zur durchschnittlichen Lebenserwartung älterer Menschen mit Migrationsgeschichte im Vergleich zu älteren Menschen ohne Migrationsgeschichte in Deutschland vor? Was sind Gründe für mögliche Unterschiede und inwieweit werden diese Erkenntnisse bei der Ausgestaltung der Gesundheitsversorgung im Land Bremen berücksichtigt?
    1. Welche Bedarfe und Maßnahmen gibt es in Bezug auf die Gesundheitsversorgung der älteren Menschen mit Migrationsgeschichte in Bremen und Bremerhaven einschließlich Gesundheitsinformationen, präventiver und gesundheitsfördernde Angebote sowie psychosozialer Beratung und Betreuung und wie bewertet der Senat die Wirksamkeit dieser Maßnahmen?
    2. Besteht nach Ansicht des Senats der Bedarf für einen Ausbau solcher Maßnahmen und wenn ja, ist hier etwas in Planung?
    3. Inwieweit werden Menschen mit Migrationsgeschichte in die Planung und Gestaltung solcher Maßnahmen mit einbezogen?
  1. Inwiefern sind ältere Menschen mit Migrationsgeschichte von Diskriminierungserfahrungen im Bereich der Gesundheitsversorgung betroffen und welche Maßnahmen werden in Bremen und Bremerhaven ergriffen, um diese zu bekämpfen? An wen oder welche Einrichtungen können sie sich in einem solchen Fall wenden?
  2. Welche grundsätzlichen und speziellen Unterstützungsangebote gibt es für Angehörige bei der Pflege von älteren Menschen mit Migrationsgeschichte und wie bewertet der Senat diese?
    1. Plant der Senat einen Ausbau der Unterstützungsangebote für pflegende Angehörige von älteren Menschen mit Migrationsgeschichte?
    2. Falls der Senat einen solchen Ausbau plant, wie soll dieser ausgestaltet werden?
  1. Welche Unterstützungsangebote gibt es für ältere Menschen mit Migrationsgeschichte bei der Bewältigung von sprachlichen Barrieren im Alltag?
    1. Welche Anstrengungen hat der Senat in den letzten zehn Jahren unternommen, um die sprachlichen Barrieren im Alltag insbesondere für ältere Menschen mit Migrationsgeschichte abzubauen und wie bewertet der Senat die Wirksamkeit dieser?
    2. Welche weiteren Schritte plant der Senat, um weiterhin vorhandene sprachliche Barrieren im Alltag für ältere Menschen mit Migrationsgeschichte zu minimieren?
  1. Welche weiteren Herausforderungen und Handlungsbedarfe sieht der Senat im Hinblick auf die Versorgung älterer Menschen mit Migrationsgeschichte im Land Bremen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels?

 

 

Sahhanim Görgü-Philipp, Dr. Henrike Müller
und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

 

Valentina Tuchel, Katharina Kähler, Ute Reimers-Bruns, Arno Gottschalk,
Elombo Bolayela, Sülmez Çolak, Medine Yildiz, Ali Seyrek, Recai Aytas,
Mustafa Güngör und Fraktion der SPD

Cindi Tuncel, Olaf Zimmer, Sofia Leonidakis, Nelson Janßen
und Fraktion DIE LINKE