Unsere politische Arbeit für
Bremen & Bremerhaven

EU Flagge weht am Mast

Antrag der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Die Linke

 

 

Europa ist dort stark, wo seine Bürger:innen erkennen, dass sie es mitgestalten können. Mit Regionalpolitik lässt sich nicht nur ein besserer Einsatz von europäischen Mitteln vor Ort erzielen. Forscher:innen des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) zeigten bereits 2024 auf, dass Regionalpolitik dem Trend zum Populismus entgegenwirken kann. Dabei geht es weniger darum, mehr Mittel zu generieren, sondern vielmehr darum, dass die große Europäische Union sich um konkrete Belange der Bürger:innen und ihrer Städte und Regionen kümmert, und dadurch vermittelt, dass Politik in Verbindung steht mit lokalen Bedarfen und Perspektiven. Auch die Vermittlung dieser Prozesse durch Politiker:innen, die den Menschen aus ihrer eigenen Landespolitik bekannt sind, unterstützt dies. Die Förderwürdigkeit aller Regionen, differenziert nach ihrer strukturellen Entwicklung und nach ihrem regionalen Handlungsbedarf, muss erhalten bleiben, um destruktiven Debatten, in denen imaginäre „Zahlmeister“ gegen „Empfänger“ in Stellung gebracht werden, nicht Vorschub zu leisten.

Der mehrjährige EU-Haushalt soll nach dem Willen der EU-Kommission umstrukturiert werden. Bereits im Beschluss „Starke Regionen für ein starkes Europa“ (Drs. 21/993) aus Februar 2025 hat die Koalition auf die Probleme der Umstrukturierungsideen hingewiesen und zur Sicherung der Mitsprache der Länder und der Regionen in der Kohäsionspolitik aufgerufen. Inzwischen hat die EU-Kommission am 16. Juli 2025 den Entwurf für einen Mehrjährigen Finanzrahmen 2028 bis 2034 vorgelegt.

Trotz der in absoluten Zahlen beeindruckenden Höhe – der Mehrjährige Finanzrahmen soll sich auf nahezu 2 Billionen Euro belaufen – ist der Haushalt nach dem Vorschlag der EU-Kommission durchaus eng gestrickt. Vor diesem Hintergrund begrüßt die Bürgerschaft (Landtag) grundsätzlich die Mittelausstattung für Innovation, insbesondere in zukunftsträchtigen Bereichen wie dem Forschungsrahmenprogramm Horizont Europa, von dem das Land Bremen in erheblichem Maße profitiert, aber auch die Erhöhung der Mittel für das Bildungsprogramm Erasmus+.

Der neue Haushalt sieht in der derzeitigen Form unter anderem vor, die Mittelverwaltung stärker zu zentralisieren und die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) mit den Regional- und Sozialfonds (Kohäsionspolitik) zusammenzulegen. Die für die Mitgliedstaaten veranschlagten Mittel sollen dann in einem einzigen Nationalen Fonds zur Verfügung gestellt und im Regelfall von diesem zentral programmiert, verwaltet und ausgegeben werden.

Dieser Vorschlag würde nicht nur das Ende eines „Europa der Regionen“ einläuten, sondern birgt auch erhebliche Gefahren, nicht nur für den zielgenauen Einsatz der europäischen Mittel im Sinne der Städte und Regionen, sondern auch für die Akzeptanz und Unterstützung von europäischer Politik. Denn mit der Mitsprache droht auch die Sichtbarkeit der EU in den Regionen zu verschwinden. Eine soziale und nachhaltige Entwicklung Europas aber muss die Städte und Regionen mitnehmen. Sie funktioniert nicht von oben herab, sondern nur im Dialog. Das stärkt nicht nur das Vertrauen in die europäische Politik, es verbessert sie auch, denn es wird nicht an konkreten Bedarfen vorbei gesteuert, es wird nicht über Regionen gesprochen, sondern mit ihnen.

In der Ministerpräsidentenkonferenz vom 18. Juni 2025 wurde auf Grundlage einer Initiative des Bremer Senats die gemeinsame Stellungnahme des Bundes und der Länder zur Kohäsionspolitik der EU nach dem Jahr 2027 bekräftigt. Es gilt aus Sicht der deutschen Länder, für die Neuausrichtung des Mehrjährigen Finanzrahmens den effektiven und effizienten Einsatz der Unionsmittel sicherzustellen und die Europäische Kohäsionspolitik als ein zentrales Instrument zu verankern. Gerade in Zeiten großer Herausforderungen ist die Kohäsionspolitik zum einen eine wichtige Säule eines solidarischen Europas! Zugleich ist die EU-Kohäsionspolitik aber auch ein zentrales Instrument zur Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft, nachhaltiger Entwicklung, von Beschäftigung, Bildung und Inklusion und gleichberechtigter Entwicklung aller europäischen Regionen.

Auch das Land Bremen muss dabei Position beziehen. Es gilt, die Gestaltungsspielräume ebenso wie die Mittelausstattung der Städte und Regionen zu sichern, für besseren Mitteleinsatz und für die Stärkung des europäischen Zusammenhalts auf lokaler Ebene.

 

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,

  1. gegenüber der Europäischen Kommission zu begrüßen, dass der EU-Haushalt einerseits viele richtige Prioritäten setzt, um den kommenden Herausforderungen gerecht zu werden, insbesondere in Bereichen wie Innovation, Klimaschutz und Übergang zu CO2-freien Wirtschaftssystemen, aber andererseits mit Blick auf bestimmte Programme, die unmittelbar für Bürger:innen sichtbar und wirksam sind, wie zum Beispiel ERASMUS+ und das neu geschaffene Programm AgoraEU, und insbesondere hinsichtlich der klaren Sichtbarkeit und Zweckbindung von Programmen wie dem Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+), die für Jugend, Integration, Weiterbildung und Teilhabe unerlässlich sind, dringende Nachbesserungen zu fordern. Fordert die Europäische Kommission daher auf, ihren Vorschlag zum Fonds für nationale und regionale Partnerschaftspläne zu überarbeiten und die Aufstellung, Aushandlung, Umsetzung und Überwachung in den Händen der Regionen zu belassen. Eine Verlagerung der Entscheidungsfindung auf die nationale Ebene ohne eine starke Einbeziehung der Regionen würde dem Prinzip der Subsidiarität zuwiderlaufen, die bewährte Multi-Level-Governance erheblich schwächen und in einem krassen Widerspruch zum Partnerschaftsprinzip stehen;
  2. gegenüber der Bundesregierung deutlich zu machen, dass die Europäische Union ihren wachsenden Herausforderungen nur mithilfe eines auskömmlich ausgestatteten Mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2028-2034 nachkommen können wird, und die Bundesregierung daher für einen EU-Haushalt in entsprechender Höhe, auch unter Einbeziehung neuer Eigenmittel, einstehen und insbesondere eine faire Besteuerung großer Digitalunternehmen als Beitrag zum europäischen Gemeinwohl einfordern muss;
  3. gegenüber der Bundesregierung und der EU-Kommission darauf hinzuweisen, dass die von der Kommission geplante Flexibilisierung der Mittel im europäischen Mehrebenensystem aus demokratietheoretischer Sicht problematisch ist, weil sie dem Haushaltsgesetzgeber das Bestimmungsrecht über die Mittelverwendung entzieht, weil sie zum Aufbau von unnötiger Bürokratie auf Bundesebene führen würde in einem Bereich, in dem das Fachwissen und die Zuständigkeit in Deutschland bei den Ländern liegen, und weil pauschale Ansätze wie „Cash for Reforms“ weder Transparenz noch Akzeptanz fördern und kleinere Träger wie Kommunen oder zivilgesellschaftliche Initiativen benachteiligen würden;
  4. die Bundesregierung aufzufordern, sich dafür einzusetzen, eine Renationalisierung der EU-Förderpolitik zu verhindern, weil die von der EU-Kommission vorgeschlagenen „Nationalen Pläne“ die Gefahr bergen, dass künftig EU-Fördermittel in den nationalen Haushalten untergehen und damit ihre Wirksamkeit und Sichtbarkeit auf regionaler und lokaler Ebene verlieren, wofür gerade die Umsetzungsmodalitäten des Deutschen Aufbau- und Resilienzplans nach Auffassung der Bürgerschaft (Landtag) ein Negativbeispiel sind;
  5. gegenüber der Bundesregierung sowie der EU-Kommission einzufordern, dass auch künftig die Gestaltungshoheit der Länder für die regionale Wirtschaftspolitik geachtet wird, die Planung und Umsetzung der Strukturfondsmittel somit weiterhin nach dem System der geteilten Mittelverwaltung zwischen Regionen und EU-Kommission erfolgt und für die Regionen eine Planbarkeit der Mittel für die Dauer des MFR nach dem n+2-System sicherzustellen;
  6. gegenüber der Bundesregierung sowie der EU-Kommission einzufordern, dass regionale Fördergelder weiterhin für alle europäischen Regionen verfügbar sein müssen, da auch nach statistischen Indikatoren weiter entwickelte Regionen weiterhin erhebliche strukturelle Herausforderungen wie Digitalisierung, Modernisierung der Infrastruktur und Fachkräftemangel bewältigen müssen;
  7. sich auf nationaler und europäischer Ebene weiterhin für die Beibehaltung und Weiterentwicklung einer ortsbezogenen europäischen Kohäsionspolitik, die nach dem Partnerschaftsprinzip programmiert und umgesetzt wird, einzusetzen und auf eine Überarbeitung des vorgelegten Entwurfs zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2028-2034 in diesem Sinne hinzuwirken;
  8. sich dafür einzusetzen, dass Vereinfachung in der Förderpolitik nicht nur für die EU-Verwaltung spürbar wird, sondern vor allem für Antragsteller:innen in Kommunen, Unternehmen, Vereinen und Initiativen, u.a. durch längere Projektzeiträume, sichere Vorfinanzierung sowie pragmatische und weniger bürokratieintensive Berichtspflichten.

 

Antje Grotheer, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Dr. Emanuel Herold und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Cindi Tuncel, Nelson Janßen, Sofia Leonidakis und Fraktion Die Linke