
Große Anfrage der Fraktionen Die Linke, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Problemimmobilien stellen für die Bewohnenden, aber auch für die Quartiere eine besondere Herausforderung dar – auch wenn ihr Anteil am Gesamtgebäudebestand gering ist. Durch bauliche Mängel, Verwahrlosung oder menschenunwürdige Wohnverhältnisse können sie erhebliche negative Auswirkungen auf ihr Umfeld haben. Neben der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gehen von ihnen oft negative Ausstrahlungseffekte aus, die die Lebensqualität im Quartier insgesamt beeinträchtigen.
Vor allem vier Typen von Problemimmobilien haben in Bremen immer wieder für öffentliche Diskussionen gesorgt und tun dies weiterhin. Erstens einzelne, aber dramatische Fälle von menschenunwürdigen Wohnbedingungen. Zweitens entziehen sachgrundlose Leerstände dem angespannten Wohnungsmarkt der Stadt Bremen Wohn- und Gewerberäume und sind dabei selbst in den teuersten Wohnlagen Bremens zu finden. Hinzu kommt, dass aus dem mietmarktfähigen Leerstand über die Jahre zum Teil zu nicht mehr bewohnbarer Leerstand wird, wie etwa das abgebrannte Gebäude in der Horner Heerstraße 23. Drittens gefährden immer wieder einzelne baulich abgängige Gebäude („Schrottimmobilien“) die öffentliche Sicherheit und schädigen das Erscheinungsbild des Quartiers, wie im Falle des Hauses am Rembertiring, von dem durch herabfallende Fassadenteile Passant*innen und durch marode Balkone Bewohner*innen gefährdet waren, oder das sogenannte Koschnick-Hauses in Gröpelingen, dessen Abriss durch die Baubehörde inzwischen angeordnet wurde. Auch der Abriss der lange Zeit halbabgerissenen Schrottimmobilie in der Georg-Gleistein-Straße in Vegesack ist angeordnet worden. Viertens führen regelwidrige Monteursunterkünfte immer wieder zu Beschwerden der Nachbarschaft über Belästigungen und stehen nicht selten im Zusammenhang mit ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen. Neben den ehemaligen, inzwischen unbewohnbaren Wohngebäuden gibt es auch jene Schrottimmobilien, die ehemals überwiegend gewerblich genutzt wurden. Um nur einige Beispiele zu nennen: das seit zehn Jahren leerstehende ehemalige Schreibwarengeschäft „Habü“ im Steintorviertel, der seit 2019 leerstehende Bio-Supermarkt „Aleco“ in der Bismarckstraße, das Gebäude der ehemals Basler Securitas Versicherung am Wall, das ehemalige Möbelhaus und spätere Kulturzentrum „Dete“ in der Neustadt, der ehemaliger Netto-Markt in der Neustadt (Gottfried-Menken-Str. 14.), die ehemalige Schnapsfabrik „Güldenhaus“ in der Neustadt, der Altbau-Teil des ehemaligen Altersheims „Kirchweg“ in der Neustadt und die seit mehr als 15 Jahren leerstehende ehemalige Gaststätte „Dorfkrug“ in Huchting. Gemeinsam ist ihnen allen, neben den zum Teil weitreichenden negativen Folgen für Mieter*innen, dass sie die Nachbarschaften in Mitleidenschaft ziehen, sich besonders in strukturschwächeren Stadtteilen häufen und damit die soziale Kluft zwischen den Stadtteilen verstärken.
Durch die Etablierung des Wohnungsaufsichtsgesetzes und des Wohnraumschutzgesetzes konnte Bremens Handhabe beim Umgang mit Problemimmobilien verbessert werden. Insbesondere seit der Novellierung des Wohnungsaufsichtsgesetzes im Jahr 2023 kann die Stadtgemeinde bei menschenunwürdigen Wohnbedingungen schneller eingreifen und betroffene Immobilien auf Kosten der Eigentümer*innen unter treuhänderische Verwaltung der Stadt stellen. Hierdurch konnte die aufgrund ausbleibender Zahlungen eingestellte Energieversorgung z.B. in einer Wohnanlage in der Robinsbalje wieder schnellstmöglich hergestellt werden und die Wohnqualität durch die Verwaltung des Gebäudes durch die Gewoba verbessert werden.
Das Wohnraumschutzgesetz hingegen ermöglicht es, bei zweckentfremdetem Wohnraum einzugreifen, u.a. wenn dieser länger als sechs Monate ununterbrochen leer steht. Erfreulich ist, dass Bremen in den vergangenen vier Jahren mithilfe des Instruments bis zu 50 leerstehende Wohnungen dem Wohnungsmarkt zuführen konnte. Trotzdem gibt es eine Vielzahl an teils mehrere Jahre leerstehenden Gebäuden in Bremen. In einkommensschwächeren Stadtteilen sind ebenfalls ganze Wohngebäude von Leerstand betroffen. Diese stehen teilweise seit über zehn Jahren leer und entziehen dem angespannten Wohnmarkt in Bremen Wohnraum.
Um die effektive Anwendung beider Gesetze in der Praxis zu optimieren, hat die Stadtbürgerschaft auf Antrag der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Die Linke (Antrag „Recht auf Wohnen und gute Nachbarschaft schützen, Problemimmobilien systematisch bekämpfen“ (Drs. 21/117 S)) den Senat beauftragt, eine ressortübergreifende Taskforce zur Bekämpfung von Problemimmobilien einzurichten. Rund ein Jahr nach dem Beschluss ist es nunmehr Zeit für eine erste Bestandsaufnahme.
Wir fragen den Senat:
1. Wie definiert der Senat „Problemimmobilien“ und wie werden diese erfasst?
2. Welche Problemimmobilien nach der Landesbauordnung, Leerständen nach dem Wohnraumschutzgesetz, bewohnten und überbelegten Wohnungen nach dem Wohnungsaufsichtsgesetz und Monteurwohnungen gibt es derzeit in der Stadt Bremen wo befinden sich diese und seit wann besteht dieser Zustand? Bitte differenziert auflisten nach
a) Gebäude mit ungesunden Wohnverhältnissen
b) bewohnbare, schon länger als sechs Monate leerstehende Gebäude
c) Unbewohnbare Gebäude
d) Gewerbeimmobilien
e) sonstige Problemimmobilien
3. Durch wen bzw. in welchem Rahmen wurden die Problemimmobilien an welche Stelle gemeldet? Wie viele der Beschwerden stammten von Mieter*innen in Bezug auf verwahrloste Wohngebäude?
4. Auf welche Weise können Problemimmobilien an die Task Force gemeldet werden? Sieht der Senat hier Informations- und Anpassungsbedarf?
5. Welche mehrsprachigen, dezentralen, barrierearmen Informationsquellen hinsichtlich der Rechte von Mietenden von potenziellen Problemimmobilien und über Meldemöglichkeiten stellt der Senat zur Verfügung?
6. Wie ist der aktuelle Stand bezüglich der Task-Force (gemeinsame Verwaltungseinheit) für Problemimmobilien, und welche weiteren Schritte sind zur Etablierung dieser Einheit vorgesehen?
7. Was wurde im Falle der Problemimmobilien aus Frage 2 bisher unternommen, welche Auflagen, Ordnungsmaßnahmen, Zwangsgelder etc. wurden angeordnet (bitte Objekt, Maßnahme und Rechtsgrundlage angeben)?
8. Wie bewertet der Senat die Möglichkeit von Treuhandverwaltung oder Unbewohnbarkeitserklärungen? Welche sonstigen Maßnahmen der Wohnungsaufsicht wurden durch die Behörde durchgeführt oder geprüft?
9. In welcher Verwaltungseinheit laufen die Informationen des Leerstandsmelders zusammen? Werden sie systematisch ausgewertet beispielsweise hinsichtlich unzulässig langen Leerständen?
10. Wäre es denkbar, einen Missstandsmelder einzuführen, beispielsweise über ein Onlineportal, in welchem alle Verstöße gegen das Bremische Wohnungsaufsichtsgesetz oder Wohnraumschutzgesetz gemeldet werden können und dessen Informationen direkt in der zuständigen Verwaltung zusammenlaufen?
11. Wie oft wurde das Gesundheitsamt seit dem Jahr 2020 auf Missstände in Wohnimmobilien aufmerksam gemacht und in welchen konkreten Fällen wurden seit dem Jahr 2020 durch das Gesundheitsamt Begehungen von Wohnimmobilien durchgeführt?
12. In welchen der Fälle wurde im Nachgang der Begehung durch das Gesundheitsamt die Task Force oder das Bauresort informiert? Nach welchen Kriterien entscheidet das Gesundheitsamt, ob die Task Force Problemimmobilien über den Vorgang informiert wird? Gibt es hierzu entsprechende Regelungen?
13. In welchem Rahmen wurden die durch die Instrumente des Wohnraumschutzgesetz und Wohnraumaufsichtsgesetzes (z.B. Treuhandverwaltung, Ersatzvornahmen) entstandenen Kosten der Stadtgemeinde durch die Eigentümer*innen vollständig oder teilweise beglichen (wenn teilweise, bitte Anteil angeben sowie Gesamtsumme der entstandenen Kosten)? Wenn nein oder nur teilweise, sind sie als Schuld ins Grundbuch eingetragen worden?
14. Wie oft wurde in den letzten vier Jahren ein Baugebot nach § 176 Baugesetzbuch (BauGB) ausgesprochen?
15. Wie oft wurde in den letzten vier Jahren ein Modernisierungs- oder Instandhaltungsgebot nach § 177 BauGB erlassen?
16. in der Folge etwaiger Bau-, Modernisierungs- oder Instandhaltungsgeboten oder anderweitiger behördlicher Auflagen die monierten Zustände durch die Eigentümer*innen vollständig, teilweise, oberflächlich oder gar nicht beseitigt?
17. Wie ist der Stand der im Dringlichkeitsantrag der Koalitionsfraktionen „Recht auf Wohnen und gute Nachbarschaft schützen, Problemimmobilien systematisch bekämpfen“ geforderten Prüfung darüber, inwieweit das Bremische Wohnraumschutzgesetz um eine wirksame Treuhandregelung ergänzt werden kann, um leerstehende Immobilien zeitnah einem Treuhänder übergeben zu können?
18. Wie bewertet der Senat die im oben genannten Dringlichkeitsantrag geforderte Rollenübernahme durch die BREBAU als Quartiersentwicklungsgesellschaft, die mit dem strategischen Ankauf und der Entwicklung von Problemimmobilien betraut wird? Erachtet er diese Funktion als erfüllt durch die inzwischen realisierte Stadtentwicklungsgesellschaft?
19. Wie beurteilt der Senat die rechtliche Handhabe bei verwahrlosten Gewerbeeinheiten, die bisher nicht unter das Wohnraumschutzgesetz fallen? Gibt es aus Sicht des Senats hier eine Regelungslücke bzw. bedarf es der Schaffung eines Gebäudeschutzgesetzes, welches auch Gewerbeimmobilien umfasst?
20. Gibt es aus Sicht des Senats den Regelungsbedarf einer Treuhandverwaltung analog § 6a Bremisches Wohnungsaufsichtsgesetz auch für das Bremische Wohnraumschutzgesetz z.B. bei Zweckentfremdung oder über 6monatigem Leerstand und nicht befolgten milderen Maßnahmen?
21. Sieht der Senat die Treuhandverwaltung als das bestmögliche und -nötige Instrument an, wenn Eigentümer*innen sich hartnäckig nicht an das das Bremische Wohnungsaufsichtsgesetz oder das Wohnraumschutzgesetz halten, oder sollte für solche Fälle auch Enteignung in Betracht gezogen werden?
Sofia Leonidakis, Nelson Janßen und Fraktion Die Linke
Falk Wagner, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Bithja Menzel, Dr. Henrike Müller und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
SPD-Bürgerschaftsfraktion
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