Die medizinische Versorgung aller hier lebenden Menschen ist ein wesentlicher Aspekt des Sozialstaatsprinzips und der damit verbundenen öffentlichen Daseinsvorsorge. Nicht nur im Grundgesetz sondern auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, in dem UN-Sozialpakt, in der Kinderrechtskonvention und in der Frauenrechtskonvention wird das Recht auf körperliche Unversehrtheit bzw. das Recht auf Gesundheit verankert. Dennoch gibt es eine nicht unbedeutsame Anzahl von Personen, die dieses Recht nicht oder nicht in einem angemessenen Umfang wahrnehmen können oder dürfen. Gemeint sind hierbei die Menschen, die aufgrund fehlender Aufenthaltstitel nicht sozialversichert sind. Allein in Bremen wird von schätzungsweise über 4.000 papierlosen Personen ausgegangen, darunter auch Kinder und Schwerkranke.
Um diese Not zu lindern, richtete der Bremer Senat im Jahr 2009 die Humanitäre Sprechstunde ein. Diese bietet eine kostenfreie Basisversorgung an und wird auf Wunsch anonym durchgeführt. Dort können Menschen ohne Papiere Arzt*innen aufsuchen oder eine Überweisung für entsprechende Facharzt*innen bekommen. Zehn Jahre Praxiserfahrung der Bremer Gesundheitsämter deuten jedoch darauf hin, dass nach wie vor Handlungsbedarf besteht. Für einige fachärztlichen Bereiche kann nach wie vor eine Behandlung nicht flächendeckend sichergestellt werden. Das jetzige Abrechnungssystem ist kompliziert und aufwändig.
Um die bestehenden gesundheitlichen Versorgungslücken zu schließen, ist die Erweiterung des sogenannten Bremer Modells für Papierlose anzustreben. Dem 1993 begonnenen Bremer Gesundheitsversorgungsprogramm für Geflüchtete wird eine bundesweite Pionierrolle zugeschrieben. Alle Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz besitzen im Land Bremen eine AOK-Gesundheitskarte und können regulär Ärzt*innen konsultieren und behandelt werden. Auf diese Weise können auf der einen Seite unnötig komplexe Abrechnungsverfahren vermieden werden, sowie verwaltungsaufwändige Ausgaben von Krankenscheinen in Sozial- oder Gesundheitsämtern, wie in anderen Bundesländern gängig ist. Auf der anderen Seite wird es den Betroffenen die stigmatisierende Erfahrung erspart, nur unter erschwerten Bedingungen Gebrauch der Gesundheitsregelversorgung machen zu dürfen. Eine Gesundheitskarte für Papierlose könnte gleiche Bedingungen schaffen. Sie müsste, abgesehen vom Passbild, anonymisierte Daten enthalten, denn andernfalls könnten die Betroffenen eine Weitermeldung an die Ausländerbehörden befürchten, und die Gesundheitskarte würde ihr Ziel verfehlen. Ein weniger weitgehendes Modell bestünde darin, dass Papierlose im Rahmen der Humanitären Sprechstunde einen Krankenschein mit anonymisierten Daten erhalten, der für eine bestimmte ambulante oder stationäre Behandlung die Übernahme der Kosten bei grundsätzlich freier Arztwahl ermöglichen könnte.
Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:
Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, ein Konzept zu erstellen, wie die fachärztliche Versorgung von Papierlosen sichergestellt und ihre weitgehende Integration in die Regelversorgung gewährleistet werden kann. Dabei ist prioritär die Realisierbarkeit einer anonymisierten Gesundheitskarte zu prüfen. Das Konzept ist den Deputationen für Gesundheit und Verbraucherschutz sowie für Soziales, Jugend und Integration binnen sechs Monaten zur Beratung vorzulegen.
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