In diesem Jahr feiern Danzig und Bremen den fünfundvierzigsten Geburtstag ihrer Städtepartnerschaft. Als erste kommunale Gemeinschaft dieser Art nach dem zweiten Weltkrieg, geschlossen noch unter den Rahmenbedingungen des Kalten Krieges und des èisernen Vorhanges`, hat sich eine vitale Partnerschaft auf vielen Ebenen entwickelt: Wirtschaftliche und wissenschaftliche Zusammenarbeit, gemeinsame kulturelle Aktivitäten und vielfältige Kooperationen der Zivilgesellschaft sind beispielhafte Felder lebendiger Gemeinsamkeiten, die, anschließend an eine auch leidvolle Geschichte, dem gemeinsamen Ziel der Versöhnung und Verständigung sowie der Entwicklung enger und dauerhafter Beziehungen zwischen den Menschen dienen sollen. Die Städtegemeinschaft von Danzig und Bremen ist gleichzeitig eine Erinnerungs- und Zukunftspartnerschaft.
Bremen als Bundesland hat es immer auch als eigenständige Aufgabe und Verpflichtung angesehen, einen Beitrag zur Überwindung der Verheerungen durch den zweiten Weltkrieg und die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands zu leisten. Erinnerung an die Vergangenheit und Handeln für Frieden und Gemeinsamkeit in Gegenwart und Zukunft bilden dabei eine untrennbare Einheit. Polen, vor zweiundachtzig Jahren von Deutschland als erstes europäisches Land offen militärisch überfallen, war besonders betroffen von Vernichtungskrieg, Massenmord sowie von Vertreibung und Ghettoisierung. Der Beschuss der `Westerplatte` vor den Toren Danzigs war einer der Ausgangspunkte dieser beispiellosen Verbrechen. Ohne Relativierung oder gar Verdrängung der Vergangenheit sind Städtepartnerschaften aber ein Beitrag dazu, dass diese beispiellosen Verbrechen nicht das letzte Wort der Geschichte bleiben. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil eines bi- und multilateralen Netzwerkes zwischen Polen und Deutschland im Allgemeinen und Danzigs und Bremens im Besonderen, das gegenwärtigen und zukünftigen Generationen die Perspektive eines freundschaftlichen Miteinanders eröffnen und erhalten soll. Austausch und Begegnung der Menschen aller Generationen und Herkunft ist dazu die wesentlichste Voraussetzung. Danzig und Bremen können dabei an ihre Beziehungen anschließen, an Jahrhunderte alte gemeinsame Traditionen in der Hanse, die seit jeher stehen für eine offene und internationale Ausrichtung von Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur.
Polen und Deutschland ist gemeinsam, dass sie im Verlaufe der Achtziger Jahre entscheidende Rollen in der Überwindung der Regime sowjetischer Prägung und Hegemonie, der Spaltung Europas und der Bündnisantagonismen spielten. Die Demokratisierung Polens, ausgehend von der Gewerkschaftsbewegung `Solidarnosc` auf der Danziger Leninwerft und die Wiedervereinigung Deutschlands haben maßgebliche Voraussetzungen dafür geschaffen, dass das bleiernde Schweigen durch unüberwindbar scheinende Grenzen, mitten in Europa, gebrochen werden konnte. Beide Länder, eingebunden in der Europäischen Staatenfamilie, wurden enge Partner und freundschaftlich verbundene Nachbarn. Diese Beziehungen zu vertiefen und zu pflegen konkretisiert sich nicht zuletzt in der Weiterentwicklung von Städtepartnerschaften.
Enge Beziehungen und bewährte Partnerschaft zeigen sich nicht nur in Gemeinsamkeiten, sondern auch in der freundschaftlichen Bewältigung von Meinungsunterschieden auf der Grundlage übereinstimmender Werteüberzeugungen. Der europäische Gedanke und die Weiterentwicklung gemeinsamer Strukturen sind ins Stocken und unter Druck geraten. Hierbei spielen internationale Veränderungen von außen ebenso eine Rolle wie unterschiedliche Auffassungen zur inneren Struktur der europäischen Entwicklung. Diskussionen und z.Tl. auch substantielle Meinungsverschiedenheiten, z.B. zur Zuwanderungspolitik, zur Unabhängigkeit der Justiz oder zum Umgang mit sexueller Orientierung und Individualität, dürfen nicht dazu führen, den überwiegenden Charakter von Gemeinsamkeit infrage zu stellen. Sie müssen im Dialog offen thematisiert und in gegenseitigem Respekt gelöst werden. Auch hierzu kann der politische Austausch, insbesondere aber die Begegnung der Menschen im Rahmen von Städtepartnerschaften einen wertvollen Beitrag leisten. Bremen teilt die in Danzig gepflegte Auffassung einer offenen, toleranten und weltoffenen Gesellschaft und unterstützt die Danziger Bevölkerung in ihrer aktiven Rolle in Polen, dieser immer und überall Geltung zu verschaffen. Nicht zuletzt die Ermordung von Bürgermeister Pawel Adamowicz aus politischen Motiven im Jahre 2019 ist für uns Mahnung und Auftrag zugleich, die Werte von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit gemeinsam zu verteidigen.
Der Gedanke von Städtepartnerschaft ist nur scheinbar ein Widerspruch zu Internationalisierung, Globalisierung und der zunehmenden Komplexität von nicht selten weltumspannenden Entwicklungen und Problemen. Sie sind im Gegenteil ein wichtiger und zunehmend unverzichtbarer Rahmen für Politik, Wirtschaft, aber auch für Bürgerinnen und Bürger einen konkreten und erlebbaren Beitrag zur Lösung von gemeinsamen Problemen durch Kooperation und Zusammenwirken ggf. im `Kleinen` leisten zu können. Städtepartnerschaften verdeutlichen: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile und Zusammenwirken ist nicht nur ein bilateraler Mehrwert, sondern auch ein Baustein zur Lösung von Problemen im überregionalen Maßstab.
Fünfundvierzig Jahre gemeinsamer Städtepartnerschaft vor dem Hintergrund einer wechselvollen Geschichte haben nicht nur vielfältige Beziehungen in unterschiedlichsten Bereichen von Politik, Wirtschaft, Häfen, Wissenschaft, Kultur oder Tourismus erbracht, sondern auch persönliche Freundschaften ermöglicht und eine eigene Tradition von Identität, Verbundenheit, Zusammenarbeit und vitaler Gemeinsamkeit ermöglicht. Neben institutionalisierter Zusammenarbeit ist gerade die Begegnung der Menschen wichtig, die aber gegenwärtig unter den Bedingungen der Corona-Pandemie schwierig geworden ist. Umso mehr halten wir es für erforderlich, immer und kontinuierlich Möglichkeiten zur Vertiefung unserer Gemeinsamkeiten anzustoßen und zu unterstützen. Wir können stolz sein auf das Erreichte, aber Stillstand wäre Rückschritt. Deshalb wollen wir bestehende Felder der Gemeinsamkeit weiterentwickeln, neue erschließen und dabei insbesondere unsere junge Generation einbeziehen.
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