Die psychosoziale Prozessbegleitung wurde durch das 3. Opferrechtsreformgesetz in Form des § 406g StPO durch den Bundesgesetzgeber zum 1. Januar 2017 eingeführt. Sie ist damit eine gesetzlich vorgeschriebene Aufgabe der Justiz. Mit der psychosozialen Prozessbegleitung steht damit ein wertvolles Instrument zur Verfügung, das die bestehenden Angebote der Opfer- und Zeugenbetreuung und -beratung ergänzt. Die psychosoziale Prozessbegleitung soll zum einen Opfern schwerer Straftaten eine echte Hilfe und Unterstützung bieten, da sie nicht selten erheblich durch die Straftat traumatisiert wurden. Zum anderen soll sie ihnen das Verständnis des Strafprozesses erleichtern und gleichzeitig Sicherheit und Orientierung vermitteln. Opfern, Zeugen und Angehörigen steht dieses Instrument bereits ab dem Ermittlungsverfahren zur Verfügung. Die psychosoziale Prozessbegleitung stellt eine Schnittstelle zu den sonstigen Akteur*innen des Strafverfahrens und der Opferhilfe dar. Sie ist geprägt von Neutralität gegenüber dem Strafverfahren und umfasst die Informationsvermittlung sowie die qualifizierte Betreuung im gesamten Verfahren mit dem Ziel, die individuelle Belastung der Verletzten zu reduzieren und ihre Sekundärviktimisierung zu vermeiden. Sie beinhaltet jedoch nicht die Aufgaben anderer Professionen, wie beispielsweise rechtliche Beratung, Sachverhaltsaufklärung oder therapeutische Behandlung. Aufgrund der systematischen Ausrichtung haben psychosoziale Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter das Recht, bei Vernehmungen und während der Hauptverhandlung gemeinsam mit dem oder der Verletzten anwesend zu sein.
Seit der gesetzlichen Normierung der psychosozialen Prozessbegleitung sind in Bremen und Bremerhaven rückläufige Fallzahlen zu beobachten. Im Jahr 2018 gab es im Lande Bremen nur 22 Beiordnungen, im Jahr 2019 nur noch 14, und 2020 waren es 15 Beiordnungen. Insgesamt besteht also weiterhin eine recht geringe Anzahl an Beiordnungen. Es ist daher davon auszugehen, dass das Instrument der psychosozialen Prozessbetreuung sowohl bei den Verletzten von Straftaten selbst als auch bei den sonstigen Beteiligten des Strafverfahrens (insbesondere Polizei, Anwaltschaft und Justiz) noch nicht durchweg bekannt und akzeptiert ist.
Derzeit gibt es im Land Bremen sechs Prozessbegleiter*innen, die alle in der Stadtgemeinde Bremen ansässig und größtenteils freiberuflich tätig sind. Der qualitätssichernde Einfluss seitens des Justizressorts insbesondere auch auf Aus- und Fortbildung oder Möglichkeiten der Information und Kommunikation mit den Prozessbegleitenden ist begrenzt. Es ist dringend notwendig, die Bekanntheit und Akzeptanz dieses wertvollen Instruments weiter zu steigern und um weitere Angebote und Maßnahmen zu ergänzen. Da es sich um eine gesetzliche Aufgabe der Justiz handelt, sollte geprüft werden, ob neben den freiberuflich tätigen Prozessbegleiter*innen auch die Sozialen Dienste der Justiz stärker einbezogen werden können, um die Prozessbegleitung in Bremen und Bremerhaven weiter bekannt zu machen und zu institutionalisieren. Dadurch könnten gleichzeitig auch Strukturen geschaffen werden, mit denen die noch bevorstehenden gesetzlichen Änderungen der Prozessbegleitung in Bremen umgesetzt werden können. Im Zuge dieser Diskussion auf Bundesebene sollte für Fälle von häuslicher Gewalt eine Psychosoziale Prozessbegleitung bei Körperverletzungsdelikten unterhalb der Schwelle einer schweren Körperverletzung ermöglich werden, denn selbst langandauernde Taten mit Verletzungsmerkmalen wie Knochenbrüchen oder Platzwunden reichen nicht aus, um den Tatbestand zu erfüllen. Die Tatsache, dass Täter*innen hier aus dem nahen, privaten Umfeld kommen, stellt zudem eine besondere Belastung und Schutzbedürftigkeit der Opfer dar.
Die Unterstützung und Stärkung von Opfern ist ein zentraler Bestandteil der Landespolitik. Menschen, die Schlimmes erleben mussten, müssen die Chance erhalten, das Erlebte bestmöglich zu verarbeiten.
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