Das Thema Pflege ist aktueller denn je. Ob Fachkräftemangel, fehlende tarifliche Bezahlung, herausfordernde Arbeitsbedingungen, Berichte über Missstände in Pflegeeinrichtungen, bei ambulanten Diensten oder auch in der familiären Pflege – all dies verdeutlicht, dass wir in der Pflege neue Wege gehen müssen.
In jüngster Zeit haben uns gerade die Herausforderungen der Corona-Pandemie mit ihren gesundheitlichen und sozialen Folgen für Senior:innen erneut schmerzlich verdeutlicht, welchen Wert Würde und Selbstbestimmung im Alter haben. Würde und Selbstbestimmung werden ebenso wie das soziale Eingebundensein ganz konkret in der Alltagswelt der Menschen erlebbar. Die Alltagswelt definiert sich vor Ort – in den Quartieren. Es gilt daher, eine gute Organisation und Steuerung mit den konkreten individuellen Bedarfen und Angeboten vor Ort zu kombinieren. Zum Teil fehlen aber Kurzzeitpflegeplätze, kleine Wohneinheiten oder andere Angebote bzw. sind ambulante Dienste weit entfernt. Zudem gilt es, stationäre Angebote mit dem ambulanten Setting im Quartier gut zu verbinden und Aspekte kultursensibler Altenarbeit zu berücksichtigen.
Lokale Steuerungsmöglichkeiten müssen dafür verstärkt entwickelt und in die Organisation der Pflege integriert werden, denn nur, wenn sie lokal – also im Quartier, dort, wo die Menschen leben – organisiert wird, kann sie den Bedürfnissen nach Eingebundenheit und Selbstbestimmtheit entsprechen.
Die kommunalen Behörden müssen ebenso wie die Sozialleistungsträger und die Pflegekassen der Krankenkassen verstärkt eine neue, stadtteilbezogene Sicht- und Handlungsweise ausgehend von den Bedarfen der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen entwickeln. Mit einem Fokus der Pflege auf das Quartier lassen sich die Selbständigkeit älterer Menschen fördern, Selbsthilfekräfte und Nachbarschaftshilfe verstärken, kurze Wege zu bedarfsgerechten Angeboten herstellen, Unterstützungen im Vorfeld von Pflege organisieren und neue Antworten auf das Thema Pflegebedürftigkeit auch angesichts der zunehmenden Zahl Pflegebedürftiger und abnehmender familiärer Hilfsmöglichkeiten finden. Große, isoliert liegende oder wenig auf den Stadtteil ausgerichtete Pflegeeinrichtungen können negative Auswirkungen auf die Selbständigkeit ihrer (zum Teil noch) aktiven Bewohner:innen haben. Das Wohnen mit Betreuung in der eigenen Wohnung oder in Pflegewohngemeinschaften, in ein aktives Gemeinwesen eingebettet, kann dagegen Selbsthilfekräfte wecken und muss priorisiert werden.
Erfolgreiche Pflege im Quartier erfordert ein Quartier der kurzen Wege, der Teilhabe, der Nahversorgung und der gut erreichbaren individuellen medizinisch-pflegerischen Versorgung. Aus diesem Grund ist es ratsam, entsprechende Mobilitätsaspekte mit zu berücksichtigen wie etwa die Überprüfung der Beschaffenheit bzw. Barrierefreiheit der Wege und die Anbindung an den ÖPNV. Die Weiterentwicklung und die Verzahnung der Angebote müssen gemeinsam mit den Akteur:innen vor Ort angegangen und konsequent von den Menschen aus gedacht werden. Die örtliche Nähe verringert auch die Distanz zu Mängeln und Defiziten: Diese werden durch Nähe eher sichtbar. „Pflege im Quartier“ muss zudem die Vernetzung haupt- und ehrenamtlicher Strukturen sowie das persönliche Umfeld, ebenso wie das Zusammenfügen vorhandener Angebote und das Füllen von Versorgungslücken zum Ziel haben.
Um ein Programm „Pflege im Quartier“ zu erproben, können zunächst zwei bis drei Quartiere modellhaft ins Auge gefasst werden. Für eine dauerhaft erfolgreiche Etablierung des Programms sind unterstützende Rahmenbedingungen auf der Bundesebene von hoher Bedeutung. Dazu zählen neben rechtlichen und strukturellen Veränderungen, als Voraussetzungen für eine moderne Pflege auch die finanzielle Entlastung der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland.
SPD-Bürgerschaftsfraktion
Land Bremen
Wachtstraße 27/29
28195 Bremen
Tel: 0421 336 77 0
E-Mail: info@spd-fraktion-bremen.de