Unsere politische Arbeit für
Bremen & Bremerhaven

Ein Mann im Rollstuhl

Große Anfrage der Fraktionen Die Linke, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD

Damit eine inklusive Gesellschaft Wirklichkeit werden kann, ist die Chance zur Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderungen von essenzieller Bedeutung. § 166 SGB IX verpflichtet Arbeitgeber*innen dazu, unter Einbeziehung relevanter Akteur*innen mit den Schwerbehindertenvertretungen ihrer Betriebe eine Inklusionsvereinbarung zu schließen.

In Erfüllung dieser gesetzlichen Vorgabe hat Senat der Freien Hansestadt Bremen mit der Gesamtschwerbehindertenvertretung für das Land und die Stadtgemeinde Bremen, dem Gesamtpersonalrat für das Land und die Stadtgemeinde Bremen sowie dem Gesamtrichterrat für das Land Bremen am 10. Juni 2024 eine neue Inklusionsvereinbarung geschlossen.

Im Rahmen dieser Vereinbarung wurde eine Beschäftigungsquote von mindestens sechs Prozent schwerbehinderter Menschen bezogen auf die vorhandenen Arbeitsplätze in jeder Dienststelle, unter Vorbehalt spezieller berufsgruppenspezifischer Anforderungen (Polizei, Feuerwehr, Justizvollzugsdienst), vereinbart. Der Senat hat damit die Beibehaltung dieser über die gesetzlich vorgeschriebene Quote von fünf Prozent hinausgehende Selbstverpflichtung aus den vergangenen Inklusionsvereinbarungen bestätigt. Die Inklusionsvereinbarung verpflichtet die Freie Hansestadt Bremen darüber hinaus dazu, jährlich einen Bericht über die Beschäftigungssituation und Beschäftigtenstruktur schwerbehinderter Mitarbeiter*innen im bremischen öffentlichen Dienst zu erstellen.

Der Magistrat der Stadt Bremerhaven hatte bereits am 15. Juli 2020 eine eigene Inklusionsvereinbarung verabschiedet, die dort die Grundlage für die Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Dienst bildet.

Die Beschäftigungsquote von schwerbehinderten Menschen im gesamten Land Bremen lag im öffentlichen Dienst Ende 2016 noch bei 6,97 Prozent und sank seitdem kontinuierlich. Ende 2023, dem Jahr des letzten Berichtszeitraums, fiel die Quote erstmals unter die Marke von sechs Prozent und liegt nunmehr bei 5,89 Prozent. Der im dritten Quartal 2025 erscheinende Bericht für das Jahr 2024 wird zeigen, dass der Negativtrend anhält und die Quote inzwischen nur noch bei 5,73 Prozent liegt. Auch in anderen Bundesländern wie Bayern oder Brandenburg lässt sich ein ähnlicher Abwärtstrend beobachten.

Um die Quote zu erhöhen, hat das Bundesland Berlin die Möglichkeit geschaffen, schwerbehinderte Menschen befristet auch ohne freie Stelle mithilfe zur Verfügung gestellter Inklusionsmittel zu beschäftigen, um in der befristeten Zeit zu prüfen, ob ein passender dauerhafter Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst geschaffen werden kann. In einer Antwort auf eine Anfrage der Fraktion der CDU im Oktober 2023 hatte der Bremer Senat erklärt, dass eine Übertragung einer solchen Maßnahme auf das Land Bremen nicht möglich sei. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Senat beschlossen habe, grundsätzlich keine sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisse zu begründen, so dass die Einstellung von schwerbehinderten Menschen im bremischen öffentlichen Dienst nach dem Vorbild Berlins an den eingeschränkten Möglichkeiten befristeter Beschäftigungen scheitere.

Der Senat bezog sich damit auf das Rundschreiben des Senators für Finanzen Nr. 17/2018 zum Thema befristete Beschäftigung. Darin heißt es „Der Senat beschließt, dass ab sofort keine sachgrundlosen Befristungen gem. § 14 Abs. 2 TzBfG im bremischen öffentlichen Dienst mehr vorgenommen werden. In begründeten Einzelfällen kann der Senat davon abweichen. […] Arbeitsverträge können ab sofort nicht mehr befristet ohne Sachgrund geschlossen werden, es sei denn der Senat erteilt eine Ausnahmegenehmigung.“

Zur Möglichkeit der Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung machte der Senat in seiner Antwort auf die Frage nach der Einstellung schwerbehinderter Menschen im bremischen öffentlichen Dienst keine Angaben.

Arbeitgeber*innen in der Privatwirtschaft sind gemäß § 160 SGB IX verpflichtet bei Nichterfüllung der gesetzlichen Beschäftigungsquote von 5 % eine sogenannte Ausgleichsabgabe zu entrichten. Die dadurch eingenommenen finanziellen Mittel sind zweckgebunden zur Förderung der Inklusion auf dem ersten Arbeitsmarkt einzusetzen. Eine Anfrage der Linksfraktion im Jahr 2024 ergab, dass sich diese Einnahmen im Jahr 2023 auf 10.493.521,62 € beliefen und beim Amt für Versorgung und Integration am 31.12.2023 noch 7.672.760,43 € an Rücklagen vorhanden waren.

Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat:

1. Wie hat sich die Beschäftigungsquote schwerbehinderter Menschen im bremischen öffentlichen Dienst in den letzten zehn Jahren entwickelt? Bitte getrennt nach Land Bremen insgesamt, sowie Stadt Bremen und Bremerhaven sowie Geschlecht beantworten.

2. Welche Dienststellen im Land und in den Städten Bremen und Bremerhaven erfüllen die vereinbarte Quote von mind. sechs Prozent nicht?

3. Welche Dienststellen verfehlen darüber hinaus auch die gesetzlich vorgeschriebene Quote von fünf Prozent und welche Gründe sieht der Senat hierfür jeweils? Inwieweit erachtet der Senat die Selbstverpflichtung einer Beschäftigungsquote von schwerbehinderten Menschen von mindestens sechs Prozent für sich als bindend?

4. Wie bewertet der Senat die Wirkung und die Arbeit der Inklusionsbeauftragten in den senatorischen und sonstigen Dienststellen?

5. Welche Entwicklungspotenziale gibt es bei den jeweiligen Inklusionsbeauftragten, und welche Maßnahmen könnten ihre Arbeit verbessern?

6. Wie viele Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst werden aktuell über das Budget für Arbeit finanziert und wie hat sich diese Zahl in den letzten drei Jahren entwickelt? Bitte getrennt nach Bremen und Bremerhaven sowie nach Geschlecht beantworten.

7. Welche Möglichkeiten sieht der Senat die Zahl der über das Budget für Arbeit finanzierten Beschäftigungsverhältnisse, als für das Land Bremen kostengünstigen Möglichkeit Menschen mit Schwerbehinderung einzustellen, zu erhöhen?

8. Wie viele Ausbildungsverhältnisse werden im öffentlichen Dienst über das Budget für Ausbildung finanziert?

9. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, den Einsatz des Instruments Budget für Ausbildung auszubauen und welchen Umfang hält er hierbei für realistisch?

10. Wie viele Beschäftigungsverhältnisse wurden in den letzten fünf Jahren jeweils durch den sogenannten Schwerbehindertenpool finanziert? Bitte getrennt nach Bremen und Bremerhaven sowie nach Geschlecht beantworten.

11. Welche Kriterien sind für eine Einstellung einer Person mit Schwerbehinderung über den Schwerbehindertenpool maßgeblich?

12. Inwieweit könnten diese Kriterien angepasst werden, um mehr Beschäftigungsverhältnisse von Menschen mit Schwerbehinderung im bremischen öffentlichen Dienst zu realisieren?

13. Mit welchem finanziellen Volumen ist der sog. Schwerbehindertenpool ausgestattet und wie viele Stellen wären damit zu finanzieren? Wurde das Volumen in den letzten 5 Jahren jeweils ausgeschöpft?

14. Was plant der Senat neben dem sogenannten Schwerbehindertenpool, um den Trend der stetig sinkenden Beschäftigungsquote von schwerbehinderten Menschen umzukehren?

15. Wie beurteilt der Senat das Vorhaben des Berliner Senats, schwerbehinderte Menschen befristet auch ohne freie Stelle und mithilfe von zur Verfügung gestellten Inklusionsmitteln zu beschäftigen, um in der befristeten Zeit zu prüfen, ob ein passender dauerhafter Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst gefunden werden kann?

16. Welche Fälle begründen aus Sicht des Senats eine Ausnahmegenehmigung hinsichtlich des Verbots der sachgrundlosbefristeten Beschäftigung im bremischen öffentlichen Dienst?

17. Hält der Senat das Ziel, eine Beschäftigungsquote von sechs Prozent aus der Selbstverpflichtung im Rahmen der Inklusionsvereinbarung zu erreichen, und die Förderung der Inklusion auf dem ersten Arbeitsmarkt für eine angemessene Begründung zur Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung?

18. Plant der Senat, eine Initiative zu etablieren, die aktiv nach passenden Einsatzmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen in den verschiedenen Dienststellen sucht und diese proaktiv vermittelt?

19. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, die Mittel der Ausgleichsabgabe für weitere Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im öffentlichen Dienst der Freien Hansestadt Bremen einzusetzen?

20. Welche Regelungen bestehen hinsichtlich der Freistellung von Schwerbehindertenvertretungen im bremischen öffentlichen Dienst?

21. Sieht der Senat hier Änderungsbedarf und gibt es Überlegungen Freistellungen analog zu anderen Bundesländern zukünftig stufenweise zu regeln?

22. Welche spezifischen Fortbildungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen werden für Führungskräfte im bremischen öffentlichen Dienst angeboten, um das Bewusstsein für die Bedeutung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen zu schärfen und Vorbehalte abzubauen?

Tim Sültenfuß, Sofia Leonidakis, Nelson Janßen und Fraktion Die Linke

Sahhanim Görgü-Philipp, Dr. Henrike Müller und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Katharina Kähler, Arno Gottschalk, Jörg Zager, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD