
Dringlichkeitsantrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, DIE LINKE
und der CDU
Nach einem knapp zweijährigen Arbeits- und Beteiligungsprozess hat das Bundeskabinett Ende März 2024 die, unter Federführung des Bundesverkehrsministeriums erstmalig erarbeitete, Nationale Hafenstrategie verabschiedet. Sie formuliert Rahmenbedingungen für die Hafenentwicklungspolitik von Bund und Ländern, nimmt auch die Hafen- und Logistikwirtschaft mit in den Blick und setzt strategische Ziele, durch deren Erreichung die deutschen Häfen, welche für den deutschen Außen-handel unverzichtbar sind, international wettbewerbsfähig aufgestellt werden und in anstehenden Transformationsprozessen erfolgreich agieren sollen.
Mit der neuen Nationalen Hafenstrategie reagiert die Bundespolitik auf wirkmächtige wirtschaftliche, technologische und sicherheitsrelevante Entwicklungen, die zu-nehmenden Anpassungsdruck auf die Häfen und die maritime Wirtschaft entfalten. Die Dekarbonisierung des Güterverkehrs, die Digitalisierung der Lieferketten, die Automatisierung des Umschlags, der demografische Wandel auf dem Arbeitsmarkt und die geopolitischen Spannungen zwischen großen Handelsmächten bilden den vielschichtigen Kontext, in dem der Hafenstandort Deutschland seine Rolle neu interpretieren und selbstbewusst einnehmen muss. Mit dem Hafenentwicklungskonzept 2035, den Planungsbeschlüssen zur Sanierung der Stromkaje und zur Schaffung eines Energy Ports sowie der jüngst vorgelegten Smartport-Strategie hat sich auch das Land Bremen diesen Herausforderungen offensiv gestellt.
Die deutschen See- und Binnenhäfen fit für die Zukunft zu machen, ist eine Aufgabe von Bund und Ländern, die es insbesondere auch in finanzieller Hinsicht in gemeinsamer Verantwortung umzusetzen gilt. Insgesamt sind in Deutschland 1,35 Millionen Menschen in der hafenbezogenen Wirtschaft beschäftigt. Bundesweit sichern die Häfen direkt und indirekt bis zu 5,6 Millionen Arbeitsplätze. Notwendig ist daher eine wirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltige Hafenpolitik, die in enger Abstimmung zwischen Bund und Ländern umgesetzt wird. Dies schließt laut der neuen Nationalen Hafenstrategie (S. 17) folgende Aspekte ein:
Zur Erreichung dieser und weiterer strategischer Ziele zeigt der Maßnahmenkatalog der Nationalen Hafenstrategie ein breites Spektrum an Handlungsmöglichkeiten auf. Hinsichtlich der Finanzierung dieser Maßnahmen führt die Strategie jedoch lediglich aus, dass „alle Maßnahmen unter dem Vorbehalt der jeweils zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel stehen“ (S. 10). Das wird der nationalen Verantwortung nicht gerecht.
Die deutschen Seehäfen sind für die Anbindung der außenhandelsorientierten deutschen Volkswirtschaft an die internationalen Märkte von strategischer Bedeutung, da etwa 90 Prozent des internationalen Welthandels über den Seeweg erfolgt. In der Covid-19-Pandemie und der Energiekrise zeigte sich, welche Bedeutung die Seehäfen für die Industrie, Lieferketten und damit die Versorgung der Bevölkerung haben. Unsere deutschen Seehäfen sind systemrelevant. Sie sind ebenfalls Voraussetzung für eine erfolgreiche Energiewende und beispielsweise den Umschlag von Windenergie-Komponenten sowie den Energieimport von u.a. Wasserstoff, der für die Transformation der Wirtschaft in großen Mengen benötigt wird.
Nicht nur aus Sicht der Länder, sondern auch der Stakeholder der maritimen Wirtschaft ist das vorläufige Ergebnis der Nationalen Hafenstrategie deshalb eine massive Enttäuschung. Es bestätigt die pessimistischen Einschätzungen vieler Beteiligten an der Nationalen Maritimen Konferenz in Bremen 2023, auf welcher der Bund die Finanzierungsfrage bereits offengelassen hatte. Ohne ein verbindliches und dauerhaftes Commitment des Bundes zu einer stärkeren finanziellen Beteiligung können die strategischen Ziele der Nationalen Hafenstrategie nicht erreicht werden und die deutschen Häfen auf Dauer ihrer Rolle nicht gerecht werden. Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen der maritimen Wirtschaft drängen daher weiterhin auf eine Lösung der ungeklärten Finanzierungsfrage.
Bisher unterstützt der Bund die Küstenländer bei der Unterhaltung und Erneuerung ihrer Seehäfen auf Basis des sog. Seehafenfinanzierungsgesetzes durch einen jährlichen Beitrag von insgesamt rund 38 Mio. Euro, der seit 2005 in dieser Höhe fixiert ist, und zusätzlich in Form der Förderung einzelner Projekte (z.B. im Bereich der Digitalisierung und beim Bau von Landstromanlagen). Angesichts der altersbedingten Sanierungsbedarfe, der wettbewerbsbedingten Investitionsbedarfe, dem notwendigen Aufbau neuer baulicher und organisatorischer Strukturen zur Erreichung neuer strategischer Ziele, wie z.B. der Positionierung der Häfen als Drehscheiben für die Energiewende, sowie der erheblichen Inflationseffekte ist dieses Finanzierungsmodell jedoch nicht mehr zukunftsfähig. Es muss dringend durch ein neues Finanzierungskonzept abgelöst werden, in dem sich die nationale Verantwortung für die Seehäfen widerspiegelt, auch um im Wettbewerb mit den solcherart finanzierten Westhäfen (v.a. Rotterdam und Antwerpen) bestehen zu können.
Das Bundesland Bremen möchte daher die Anknüpfungspunkte, die die Nationale Hafenstrategie zur Erarbeitung eines neuen Finanzierungskonzepts bietet, aufgreifen. Mit der Einsetzung eines neuen Bund-Länder-Stabs soll das Gremium geschaffen werden, in dem insbesondere die bisherigen Überlegungen zur Hafenfinanzierung fortgeführt und konzentriert zu einem tragfähigen Ergebnis gebracht werden.
Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:
Die Bremische Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,
Dr. Emanuel Herold, Michael Labetzke, Dr. Henrike Müller
und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Nils Bothen, Volker Stahmann, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Muhlis Kocaaga, Sofia Leonidakis, Nelson Janßen und Fraktion DIE LINKE
Susanne Grobien, Thorsten Raschen, Frank Imhoff und Fraktion der CDU
SPD-Bürgerschaftsfraktion
Land Bremen
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