Die unabhängige Justiz – als dritte Gewalt im Staat – ist ein Bollwerk der Demokratie und Garantin der Rechtsstaatlichkeit. Dass dies keine Selbstverständlichkeit ist, zeigen nicht zuletzt die jüngsten Vorkommnisse zur Behinderung und massiven Beschneidung des Rechtsstaats auch in unmittelbaren europäischen Nachbarländern. Um die Justiz in ihrer Standhaftigkeit zu stärken und ihre richterliche Unabhängigkeit zu wahren, ist demokratische Mitbestimmung der dort Beschäftigten und der Richter:innen ein wichtiges Instrument. Seit der mühsamen Entwicklung des gewaltengeteilten und demokratischen Rechtsstaates waren die verfassungsgebenden und parlamentarischen Versammlungen in der deutschen Geschichte bestrebt, sowohl die demokratische Legitimation als auch eine größtmögliche Unabhängigkeit der Richterschaft von der Verwaltung zu statuieren, um sachfremde Einflussnahmen auf die Rechtsprechung möglichst zu verhindern. Unter dem Eindruck der Schrecken und Gräuel in der nationalsozialistischen Terrorherrschaft, an denen auch die Justiz maßgeblich beteiligt war, erschien den Müttern und Vätern des Grundgesetzes die Sicherung der Gewaltenteilung und damit auch die Unabhängigkeit der Justiz so wichtig, dass sie in die „Ewigkeitsklausel“ des Art. 79 Abs. 3 GG aufgenommen wurde.
Gleichzeitig war Mitbestimmung als generelles Prinzip von grundrechtlicher Dimension nicht nur in Bremen für die Verfassungsmütter und -väter konstitutiv für die junge Demokratie. Am 12. Oktober 1947 sprachen sich die Bürger:innen Bremens in einer Volksabstimmung mehrheitlich für ein um personelle, soziale und wirtschaftliche Anliegen erweitertes Mitbestimmungsrecht der Betriebs- und Personalräte aus. Seither bestimmt die Landesverfassung in Artikel 47, dass alle Arbeitnehmer in Firmen und Behörden in allgemeiner Wahl Betriebsvertretungen zu wählen haben, die dazu berufen sind, im Benehmen mit den Gewerkschaften gleichberechtigt mit den Unternehmern über Sozial-, Wirtschafts- und Personalfragen des Betriebes mitzubestimmen. In seinem dritten Absatz stellt Artikel 47 gleichzeitig klar, dass bei der Mitbestimmung im öffentlichen Bereich die demokratische Legitimation sowie die Verantwortung von Parlament und Exekutive gewahrt werden müssen. Diese verfassungsrechtlichen Grundsätze wurden im Bremischen Personalvertretungsgesetz 1957 umgesetzt. Die Bremische Bürgerschaft machte mit diesem Gesetz deutlich, dass Senat und Bürgerschaft, Beschäftigte und Bevölkerung Sachwalter gemeinsamer Interessen sind und auf keinen Fall Teil eines Obrigkeitsstaats. Mitbestimmung legt Konflikte offen. Mitbestimmung macht Arbeit und kostet Zeit. Ein Entscheidungsprozess dauert länger, wenn man sich mit der Vertretung der Beschäftigten verständigen muss. Aber in einer Demokratie brauchen Entscheidungen zu Recht mehr Zeit als in einem autoritären Staat. Beteiligungsrechte sind ein wichtiges Mittel zur Wahrung der Menschenwürde und der Persönlichkeitsentfaltung der Beschäftigten. Daher steckt in der gemeinsamen Suche nach Lösungen zur Beilegung der Konflikte nicht zuletzt ein großes schöpferisches Potential.
Die Richterschaft in Deutschland zeichnet sich aus durch eine hohe fachliche wie auch soziale Kompetenz und durch ihr Einstehen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Die Justiz genießt nicht zuletzt aufgrund ihrer Professionalität, mit der sie ihre soziale und gesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt, ein hohes Vertrauen in weiten Teilen der Bevölkerung. Gleichwohl bleiben die im Bremischen Richtergesetz geregelten Mitbestimmungsrechte der Richter:innen im Land Bremen insbesondere in personellen Angelegenheiten deutlich hinter dem für die bremischen Behörden geltenden Personalvertretungsgesetz zurück. Diese Ungleichbehandlung kann eine Erklärung darin finden, dass Richter:innen nur einmalig gewählt werden und sodann sachliche und persönliche Unabhängigkeit genießen. Dadurch sind sie einer periodischen Überprüfung und Erneuerung ihrer demokratischen Legitimation enthoben. Sie haben weitreichende Entscheidungsbefugnisse, sind aber in der Art und Weise ihrer Aufgabenwahrnehmung und in ihren richterlichen Entscheidungen – aus guten Gründen – im Kern frei und weder durch Parlament noch Exekutive kontrolliert, anders als alle anderen Träger von Hoheitsgewalt. Dadurch sind sie in ihrem Berufsalltag weniger stark von Eingriffen in dienstliche Angelegenheiten betroffen als etwa die sonstigen Bediensteten des Gerichts.
Diese Besonderheiten sind zu beachten, schließen eine angemessene Stärkung von Mitbestimmungselementen auch in personellen Angelegenheiten jedoch nicht aus. Denn auch innerhalb von Gerichten ist Mitbestimmung ein wichtiges Instrument des Interessensausgleichs und der Gewährleistung eines guten Betriebsklimas. Sie kann damit auch einen Beitrag zur Funktionsfähigkeit der Justiz leisten. Die Mitbestimmung der Richter:innen sollte vor diesem Hintergrund insbesondere auch für personelle Angelegenheiten erweitert bzw., wie beispielsweise für die Auswahlverfahren der Richter:innen, gesetzlich verankert werden: Das durch eine Allgemeinverfügung der Senatorin für Justiz und Verfassung normierte Auswahlverfahren in Bremen steht mit einer starken Stellung des Beteiligungsausschusses, der überwiegend mit Richter:innen besetzt ist bereits auf guten Füßen. Dieses Verfahren sollte aber durch die gesetzgebende Gewalt legitimiert und somit der Möglichkeit einer Veränderung allein durch die Verwaltung entzogen werden. Darüber hinaus erscheinen verschiedene Konkretisierungen und Ausweitungen der Rechte und Aufgaben von Richter- und Präsidialräten notwendig.
Die richterliche Unabhängigkeit hat Verfassungsrang und ist unabdingbar für eine funktionierende Justiz und damit einhergehend auch für ihre Akzeptanz in der Gesellschaft. Betriebliche Mitbestimmung ist ein Grundpfeiler demokratischer Wirtschaft und Verwaltung. Beide Prinzipien können sich in der auch für Richter:innen ebenso wie für alle anderen in der Justiz Tätigen gewährten umfassende Interessenvertretung durch die jeweiligen Vertretungen vereinen. Und nicht zuletzt ist auch die bewährte Zusammenarbeit der verschiedenen Mitbestimmungsgremien wichtig. Den bereits in Bremen eingeschlagenen Weg konsequenter demokratischer Mitbestimmung gilt es insoweit fortzuführen und auszubauen.
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