2019 lebten in Deutschland laut Mikrozensus hochgerechnet rund 61.000 Menschen ohne Krankenversicherung. Nicht alle Menschen können bei den Erhebungen des Mikrozensus beachtet werden. So werden beispielsweise keine Wohnungslosen oder Papierlosen befragt. Gerade diese Gruppen haben allerdings zumeist keine Krankenversicherung, weshalb die Zahl der Menschen ohne Krankenversicherung in Deutschland deutlich höher liegen dürfte. Wie viele unversicherte Menschen tatsächlich in Deutschland leben, ist nicht bekannt: Weder Bundesregierung noch Krankenkassen führen dazu eine Statistik.
Für Selbständige sind die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ein ernstzunehmendes Problem, insbesondere für Soloselbstständige. Soloselbstständige werden diejenigen Selbstständigen genannt, die keine Mitarbeiter*innen beschäftigen. Ein immer größerer Teil der Selbstständigen ist soloselbstständig. Seit den 2000er-Jahren gibt es mehr Soloselbstständige als Selbstständige mit Beschäftigten. (Solo-)Selbstständige sind eine heterogene Gruppe, die sich auf verschiedenen Einkommensstufen und in unterschiedlichen Branchen bewegt. Selbstständige arbeiten als Webdesign*innen, als Hausmeister*innen oder Kosmetiker*innen, liefern Pakete aus und sind im Einzelhandel tätig. Wenn das Einkommen nicht reicht, sparen sie an ihrer Altersvorsorge oder leben unter dem Existenzminimum. Ungefähr ein Drittel der Soloselbstständigen verdient weniger als 1.100 Euro im Monat; ein Viertel verdient weniger als 8,50 Euro pro Stunde.
Für Selbstständige gibt es eine nachrangige Versicherungspflicht bezogen auf die Kranken- und Pflegeversicherung. Die Mindestbemessung für die Beiträge können viele Selbstständige mit geringem Einkommen jedoch nicht stemmen. Einige zahlen die Hälfte ihrer gesamten Einnahmen an die Krankenkassen. Grund für dieses Ungleichgewicht sind vor allem zwei Faktoren: Erstens fehlt der Anteil, den Angestellte durch die Arbeitgeberbeteiligung bezahlt bekommen. Zweitens ist der zuzuzahlende Beitrag nicht abhängig von ihrem Einkommen. Stattdessen wird Soloselbstständigen ein monatliches Einkommen unterstellt, was für die meisten weit entfernt von ihrer tatsächlichen Einkommensrealität ist.
Gerade für selbstständige Geringverdiener*innen ist der Beitrag zur Krankenversicherung immer noch ein hoher Kostenfaktor, trotz des Versichertenentlastungsgesetzes. Demnach müssen Selbstständige, die wenig verdienen, seit 2019 deutlich geringere Versicherungsbeiträge als zuvor zahlen. Das Einkommen, das zur Berechnung des Krankenversicherungsbeitrags für Selbstständige in der gesetzlichen Krankenversicherung zugrunde gelegt wird – die sogenannte Mindestbeitragsbemessungsgrundlage – wurde drastisch von 2.283,75 Euro auf 1.038,33 Euro pro Monat gesenkt. Der Krankenkassenbeitrag, den Selbstständige mit geringen Einnahmen mindestens zahlen müssen, verringerte sich damit auf monatlich rund 162 Euro. Doch trotz der Verbesserung gibt es weiterhin selbstständige Geringverdiener*innen, die auch die neue Einkommensgrenze von zurzeit monatlich 1.038,33 Euro nicht erreichen und proportional zu viel von ihrem Einkommen an die Krankenkasse zahlen müssen.
Eine Sonderrolle nehmen bei den Soloselbständigen die Künstler*innen ein. Diese können sich über die Künstlersozialkasse (KSK) vergleichsweise günstig sozial- und damit auch krankenversichern, da sie dort nur den Anteil für Arbeitnehmer*innen beitragen müssen. Um Mitglied der KSK zu werden, bedarf es eines künstlerischen Mindesteinkommens pro Jahr. Da aufgrund der Coronapandemie derzeit die Verdienstmöglichkeiten für freischaffende Künstler*innen erheblich eingeschränkt sind, häufen sich aber die Berichte, dass KSK-Mitglieder dieses Einkommen unterschreiten und somit ihren Versicherungsschutz verlieren.
Weiterhin ist die Gruppe der papierlosen Menschen nicht krankenversichert, da ihnen der Zugang zum Gesundheitssystem strukturell verwehrt wird. Ebenso fehlt auch EU-Bürger*innen, die sich legal in Deutschland aufhalten, aber über keinen richtigen Versicherungsschutz aus ihrem Heimatland verfügen, eine Krankenversicherung, gerade dann, wenn sie hierzulande nicht angestellt sind. Vielfach handelt es sich dabei ebenfalls um (Solo-)Selbstständige mit geringem Einkommen und um deren Familien.
Probleme mit der Krankenversicherung können sich außerdem für Studierende ergeben. Mit 25 Jahren verlieren gesetzlich versicherte Studierende die Möglichkeit, über ihre Eltern familienversichert zu sein. Mit 30 Jahren entfällt die Möglichkeit des vergünstigten Studierendentarifs, die gesetzliche Krankenversicherung wird mit einem Mal erheblich teurer. Beide Schwellen führen regelmäßig dazu, dass Studierende sich den Krankenversicherungsschutz nicht mehr leisten können, in Beitragsverzug geraten und nach Meldung durch die Versicherung an die Hochschule zwangsexmatrikuliert werden. Anders sieht die Lage für Studierende aus, die von der gesetzlichen Versicherungspflicht befreit sind. Dies ist meistens dann der Fall, wenn sie die private Krankenversicherung ihrer Eltern auch im Studium beibehalten möchten. Im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung findet hier kein regelmäßiger Datenabgleich über den Versicherungsschutz statt. Es ist daher ein Dunkelfeld unversicherter Studierender anzunehmen, wenn mit 25 Jahren auch für diese Gruppe die Möglichkeit der Versicherung bzw. der Beihilfe über die Eltern entfällt.
Wenn Menschen nicht krankenversichert sind, haben sie praktisch keinen Zugang zum Gesundheitssystem. Der Gang zu Hausärzt*innen, Zahnärzt*innen, anderen Fachärzt*innen, physio- und psychotherapeutischer Versorgung bleibt ihnen verwehrt. Chronische Krankheiten sowie Vorerkrankungen werden dann weder dauerhaft behandelt noch zentral festgehalten und somit beispielsweise bei Notfallbehandlungen nicht berücksichtigt.
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