Unsere politische Arbeit für
Bremen & Bremerhaven

Es ist eine Person im weißen Arztkittel zu sehen. Allerdings nur der Ausschnitt auf Brusthöhe. Die Person hat ein Stethoskop um den Hals.

Antrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Die Linke und der SPD

 

Plötzlicher Herzstillstand ist eine der häufigsten Todesursachen weltweit. Jährlich sterben allein in Deutschland etwa 65.000 Menschen an einem Herzstillstand außerhalb des Krankenhauses. Die Überlebenschance des Menschen sinkt ohne sofortige Reanimationsmaßnahmen pro Minute um etwa zehn Prozent. Auch im Überlebensfall erleiden die Gehirnzellen nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand bereits nach nur drei bis fünf Minuten ohne Blutfluss irreparable Schäden. Bis der Rettungsdienst eintrifft, vergehen im Durchschnitt jedoch acht Minuten oder länger. Daher ist eine schnelle Hilfe durch Lai*innen, bevor der Rettungsdienst eintrifft, entscheidend.

Eine wichtige Maßnahme zur Verbesserung der sogenannten Laienreanimationsquote wurde bereits mit der Einführung einer standardisierten Notrufabfrage in der Feuerwehr- und Rettungsleitstelle der Stadtgemeinde Bremen umgesetzt. Hierbei werden den Anrufenden die Fragen nach einem bestimmten Schema mit teils vorgegebenen Formulierungen gestellt, so dass schnell erkannt werden kann, ob ein Herzstillstand vorliegen könnte. In diesem Fall werden dann die Anrufenden unmittelbar und ebenfalls nach einem erprobten und strukturierten Schema telefonisch angeleitet, eine Reanimation durchzuführen.

In Deutschland konnte die Laienreanimationsquote von 14 Prozent im Jahr 2010 auf gut 51 Prozent im Jahr 2022 gesteigert werden. Dennoch steht Deutschland im europäischen Vergleich immer noch schlecht da: In anderen Ländern wie den Niederlanden werden dank der Implementierung von Wiederbelebungsmaßnahmen im Schulunterricht und breit angelegten Informationskampagnen schon Quoten von ca. 70 Prozent erreicht, in Schweden sogar über 80 Prozent. Eine ähnlich hohe Quote in Deutschland könnte viele Menschen davor bewahren, plötzlich aus dem Leben gerissen oder ein Pflegefall zu werden.

In vielen Städten und Landkreisen hat sich die Einführung von Ersthelfer*innensystemen per App als effektiv erwiesen. Eine solche App ermöglicht es, registrierte Ersthelfer*innen, die sich in der Nähe eines Notfalls befinden, sofort zu alarmieren und zum Einsatzort zu dirigieren. Diese Ersthelfer*innen können die Zeit bis zum Eintreffen des professionellen Rettungsdienstes überbrücken und durch die Einleitung von Reanimationsmaßnahmen die Überlebenschancen der betroffenen Person erheblich steigern. Auch können die Apps anzeigen, wo sich der nächstgelegene Defibrillator befindet, und eine registrierte Person damit beauftragen, diesen schnellstmöglich zum Notfallort zu bringen. Damit dies gut funktionieren kann, müssen die Standorte von öffentlich zugänglichen Defibrillatoren zentral erfasst werden und etwaige Abdeckungslücken möglichst geschlossen werden.

Seit 2022 ist im Gebiet der Regionalleitstelle Unterweser-Elbe, also in Bremerhaven sowie in den Landkreisen Cuxhaven und Osterholz, das System „Mobile Retter“ im Einsatz. Schon seit 2018 alarmiert die „Großleitstelle Oldenburger Land“ von Delmenhorst bis Ammerland Ersthelfer*innen über die App „Corhelper“. In den südlich von Bremen gelegenen Gemeinden des Landkreises Diepholz startete 2021 die Software „ASB schockt“ des Arbeiter-Samariter-Bundes. Der Senat kündigte in der Fragestunde der Stadtbürgerschaft am 11. Oktober 2022 an, auf Grundlage der Erfahrungen anderer Rettungsdienstträger die Einführung eines Ersthelfer*innensystems zu konzipieren. Wünschenswert wäre in diesem Zusammenhang eine möglichst einheitliche oder kompatible Lösung, damit auch Pendler*innen und Besucher*innen aus dem Umland von dem System adressiert werden können. Es ist essenziell, dass möglichst viele Menschen grundlegende Erste-Hilfe-Kenntnisse besitzen. Dies ist bislang oft nur bei Personen der Fall, die aufgrund ihrer beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit entsprechende Kurse besuchen müssen oder die erst kürzlich ihren Führerschein gemacht haben. Gerade bei Laienreanimationen wurde zudem in einer jüngeren Studie festgestellt, dass Herzdruckmassagen signifikant seltener durchgeführt werden, wenn Frauen oder ältere Menschen von dem Herzstillstand betroffen sind. Als Ursache vermuten die Forschenden Schamgefühl oder Angst, die betroffene Person am Brustkorb zu verletzen oder auch nur zu berühren.

Die systematische Verankerung eines Erste-Hilfe-Unterrichts an Schulen, der auch entsprechenden Vorbehalten gezielt entgegenwirkt, ist daher eine weitere wichtige Maßnahme, die auch der Schulausschuss der Kultusministerkonferenz seit 2014 für alle Schüler*innen ab der siebten Klasse empfiehlt, um Schüler*innen nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch auf Notfallsituationen vorzubereiten. Dies fördert eine Kultur der Hilfsbereitschaft und Selbstsicherheit im Umgang mit medizinischen Notfällen, die langfristig die gesamte Gesellschaft resilienter und sicherer macht.

 

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,

  1. zu prüfen, wie sich ein altersgerechter Erste-Hilfe-Unterricht, ggf. auch digital unterstützt, in den Schulen im Land Bremen verankern lässt;
  1. die Konzipierung eines app-basierten Ersthelfer*innensystems nach dem Vorbild Bremerhavens und der benachbarten niedersächsischen Landkreise für die Stadtgemeinde Bremen innerhalb von sechs Monaten abzuschließen; im Rahmen der App-Entwicklung soll geprüft werden, wie in eine solche App eine Übersicht über alle öffentlich zugänglichen Defibrillatoren (AEDs) integriert werden kann;
  1. Gespräche mit den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen sowie der Unfallkasse Freie Hansestadt Bremen über die Finanzierung und Durchführung einer breit angelegten Informationskampagne zur Stärkung der Laienanimationsquote und über Maßnahmen der Kassen zum Abbau der Benachteiligung von Frauen und älteren Menschen zu führen;
  1. in Gesprächen mit den Trägern der Freien Wohlfahrtspflege auf eine Überprüfung des derzeitigen Angebotes von Erste-Hilfe-Kursen im Hinblick auf deren Reichweite sowie auf die Entwicklung geeigneter Maßnahmen zur Steigerung dieser Reichweite hinzuwirken;
  1. der staatlichen Deputation für Gesundheit, Pflege und Verbraucherschutz und der staatlichen Deputation für Kinder und Bildung zwei Jahre nach Beschlussfassung über die Umsetzung zu berichten.

 

Ralph Saxe, Dr. Franziska Tell, Michael Labetzke, Dr. Henrike Müller
und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Nelson Janßen, Sofia Leonidakis und Fraktion Die Linke

Ute Reimers-Bruns, Falko Bries, Jörg Zager,
Mustafa Güngör und Fraktion der SPD