Unsere politische Arbeit für
Bremen & Bremerhaven

schwarz-wei Bild von einer Jugendlichen die in der Ecke sitzt und ihre Beine umarmt.

Antrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Die Linke und der SPD

 

Die Mitteilung des Senats auf eine Große Anfrage der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und DIE LINKE (Drs. 21/250) sowie der aktuelle Landesgesundheitsbericht zeigen deutlich, wie wichtig das Thema psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen ist und wie hoch die Bedarfe in diesem Zusammenhang in Bremen und Bremerhaven sind. In den letzten Jahren haben die Krisen in der Welt zugenommen: Pandemie, Klimakrise, Kriege. Dies macht den Kindern und Jugendlichen Sorge und belastet ihre Psyche zusätzlich. Aber auch Krisen im privaten Umfeld der Kinder und Jugendlichen, wie Streitigkeiten, Mobbing, Trennung oder Suchterkrankungen der Eltern, können zu psychischen Belastungen führen.

Die Antworten des Senats auf die Große Anfrage zeigen sehr deutlich, dass die Bandbreite der psychischen Herausforderungen für Kinder und Jugendliche sehr groß ist. Es ist eine steigende Anzahl von psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen zu beobachten, demgegenüber stehen zunehmende Engpässe in der psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung. Daher ist es wichtig, die Angebote in allen Bereichen von Prävention und Früherkennung bis zu Behandlung und Unterstützung auszubauen. Bei den präventiven Maßnahmen sollte ein stärkerer Fokus auf den Bereich der Verhältnisprävention gelegt werden, so dass gesundheitsfördernde Lebenswelten in Bremen und Bremerhaven gestärkt werden. Zudem zeigte sich, dass Kinder und Jugendliche aus Ortsteilen mit niedrigem Sozialindex deutlich häufiger von psychischen Erkrankungen betroffen sind – dies muss beim Ausbau und der Ausgestaltung von Unterstützungsangeboten berücksichtigt werden. In diesen Stadtteilen gibt es entgegen der Bedarfslage meist deutlich weniger psychotherapeutische Praxen als in wohlhabenden Stadtteilen. Die Kassenärztliche Vereinigung in Bremen hat es bisher abgelehnt, die Anzahl der Psychotherapeut*innen auf Stadtteilebene anstatt auf kommunaler Ebene zu planen, um so für mehr psychotherapeutische Praxen in unterversorgten Stadtteilen zu sorgen. Daher müssen Wege gefunden werden, die Versorgung in diesen Stadtteilen dennoch im Rahmen der landespolitischen Möglichkeiten zu verbessern.

Die Ergebnisse der SCHULBUS-Untersuchung zeigen, dass es gerade im Zusammenhang mit Substanzkonsum, aber auch Medienkonsum und Essstörungen passende Präventionsangebote braucht, die Kinder und Jugendliche bereits vor der Entstehung einer Abhängigkeitserkrankung erreichen und aufklären. Im Dezember 2023 hat der Senat ein Eckpunktepapier für eine integrierte Drogenhilfestrategie in Bremen vorgelegt. Dieses beinhaltet bereits wichtige Maßnahmen, bei denen in Bezug auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen vor allem die geplante personelle Verstärkung des Referates Gesundheit und Suchtprävention beim Landesinstitut für Schule (LIS) zu nennen ist. Hier werden konkrete Maßnahmen für eine Stärkung des Systems Schule im Bereich der psychischen Gesundheit und Suchtprävention entwickelt und durchgeführt.

Gleichzeitig gehen die Unterstützungsbedarfe von Kindern und Jugendlichen in psychischen Krisen über die in der Drogenhilfestrategie genannten hinaus. Es gibt bereits einige gelungene Angebote zur Prävention, wie z. B. die Projekte im Rahmen der Psychiatriereform (bspw. FAMOS und das Elterntraining „Shift“), die regionalen Fachkräfte für psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen und die Gesundheitsfachkräfte an Schulen. Die Antworten auf die Anfrage zeigen aber auch, welche hohen Bedarfe es weiterhin gibt und dass die Angebote und auch die Organisation der Angebote noch ausbaufähig sind, damit sichergestellt werden kann, dass die Unterstützung bei allen Kindern und Jugendlichen ankommt. Die Familienangehörigen der Kinder und Jugendlichen müssen stärker in die Präventionsarbeit miteingebunden werden. Hierfür müssen die bestehenden Angebote noch weiter ausgeweitet werden. Eine ressortübergreifende Zusammenarbeit ist hier essentiell (Mental Health in All Policies), neben dem Gesundheitsressort müssen auch in anderen Ressorts verstärkt Maßnahmen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen umgesetzt werden.

Darüber hinaus braucht es einen einfacheren Zugang zu den Versorgungsangeboten. Die bereits bestehende Möglichkeit, gezielt nach mehrsprachigen psychotherapeutischen Angeboten suchen zu können, ist gut. Das Angebot könnte im Zusammenhang mit der Erstellung einer Übersicht freier ambulanter Therapieplätze jedoch noch ausgebaut und um weitere Merkmale ergänzt werden. Eine gesetzliche Grundlage zur Erstellung einer solchen Übersicht existiert bisher nicht, daher wäre dies nur als freiwillige Dienstleistung der Psychotherapeut*innen möglich.

Auf Bundesebene muss dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) der Auftrag für eine Reform der Bedarfsplanung gegeben werden. Die Wartezeiten auf einem ambulanten Therapieplatz sind gerade für Kinder und Jugendliche mit sechs Monaten zu lang. Das ist nicht tragbar. Für Psychotherapeut*innen, die hauptsächlich oder ausschließlich Kinder und Jugendliche behandeln, müssen deshalb eine eigene Arztgruppe geschaffen und die Verhältniszahlen bedarfsgerecht abgesenkt werden.

 

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,

  1. sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, zeitnah die psychotherapeutische Bedarfsplanung für Kinder und Jugendliche bedarfsgerecht anzupassen;
  2. im Gespräch mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen, der Ärztekammer und Psychotherapeutenkammer sowie den Berufsverbänden der Psychotherapeut*innen die Möglichkeit einer Übersicht über die Gesamtzahl von freien Therapieplätzen im Land Bremen zu prüfen;
  3. zu prüfen, inwiefern durch öffentlichkeitswirksame Maßnahmen die Bekanntheit der Rufnummer 116117 für die psychotherapeutische Sprechstunde sowie die öffentlich einsehbaren Listen der im Land Bremen arbeitenden Psychotherapeut*innen verbessert werden kann;
  1. wohnortnahe präventive Angebote und Hilfen für die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen bedarfsgerecht auszubauen, durch den Aufbau von Präventionsketten sinnvoll aufeinander abzustimmen und dabei insbesondere auch die Bedarfe von Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Verhältnissen zu berücksichtigen;
  1. zu untersuchen, inwieweit alle Kinder und Jugendliche mit Unterstützungsbedarfen von den derzeitigen Angeboten zur Prävention und Behandlung psychischer Erkrankungen erreicht werden (bspw. auch Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung, aus sozial benachteiligten Verhältnissen) und bei Bedarf die Schaffung passender Angebote zu prüfen, um eine bedarfsgerechte Versorgung aller zu gewährleisten;
  1. in der Stadtentwicklung und in Bauvorhaben rund um Büro- und Gesundheitsbauten stärker die räumlichen Anforderungen für Psychotherapiepraxen zu berücksichtigen, so dass insbesondere in zentrumsfernen Stadtteilen mehr geeignete und bezahlbare Räume für Psychotherapiepraxen entstehen;
  1. bestehende Angebote in der Präventionsarbeit, insbesondere in Bezug auf Substanzkonsum, Medienkonsum, Essstörungen und andere psychische Erkrankungen, zu stärken und in noch nicht beteiligten Schulen für die Angebote zu werben. Dem LIS sollte dabei eine zentrale Rolle zukommen;
  1. die ressortübergreifende Zusammenarbeit im Sinne von Mental Health in All Policies (MHiAP) im Rahmen der bestehenden Arbeits- und Austauschformate zu verstärken und zu verstetigen und gemeinsame Strategien zur Adressierung der Ursachen von psychischen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen zu entwickeln und umzusetzen;
  1. den staatlichen Deputationen für Gesundheit, Pflege und Verbraucherschutz, für Soziales, Jugend und Integration sowie für Kinder und Bildung innerhalb von sechs Monaten nach Beschlussfassung zu berichten.

 

 

Dr. Franziska Tell, Sahhanim Görgü-Philipp, Ralph Saxe, Dr. Henrike Müller
und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Nelson Janßen, Miriam Strunge, Sofia Leonidakis
und Fraktion Die Linke

Ute Reimers-Bruns, Katharina Kähler, Selin Arpaz, Heike Kretschmann,
Mustafa Güngör und Fraktion der SPD