Hasskriminalität gegen queere Menschen, also Personen, die nicht heterosexuell und/oder cis-geschlechtlich sind (sich also nicht oder nur teilweise mit ihrem von außen zugeordneten Geschlecht identifizieren), ist facettenreich. Sie umfasst verbale, psychische und physische Gewalt. Nur einige Beispiele sind Beleidigungen, Cybermobbing, Drohungen und die Ausübung von körperlicher Gewalt bis hin zu Folter und Mord. In Bremen wurde jüngst ein Täter zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt, der jahrelang einen homosexuellen Schüler massiv bedroht und gestalkt hatte und außerdem für Delikte wie Volksverhetzung und Betrug verurteilt wurde.
Diese Hassdelikte sind keine Einzelfälle: So gaben im Rahmen einer Studie des Institutes für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) 63 Prozent der Befragten an, bereits Hetze im Netz gegen Homosexuelle gesehen zu haben. 52 Prozent sagen dies auch über Hass gegen Trans*-Menschen. Die EU-Grundrechte-Agentur veröffentlichte im Mai 2020 ihr Survey zu LSBTI-Rechten. Laut jener Studie vermeiden 45 Prozent der Befragten oft oder immer, mit ihren Partner*innen in der Öffentlichkeit Händchen zu halten, weil sie Anfeindungen oder Gewalt befürchten. 24 Prozent meiden aus Angst bestimmte Plätze. Laut Bundesregierung gab es 2019 mindestens 564 politisch motivierte Straftaten aufgrund der sexuellen Orientierung, darunter 147 Gewalttaten. Die Straftaten sind damit um 60 Prozent und die Gewalttaten sogar um 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.
Gleichzeitig bleibt das Dunkelfeld nach wie vor groß. Nur 13 Prozent der Opfer von gewaltsamen oder sexuellen Übergriffen gaben in der IDZ-Studie an, eine Anzeige erstattet zu haben. Damit liegt die Bundesrepublik im Schnitt deutlich hinter anderen westeuropäischen Ländern. Dies zeigt auch eine Studie über die Dunkelziffer von Straftaten gegen queere Menschen von der LAG Queeres Netzwerk Sachsen. So verzeichnete diese Institution in ihrer Erhebung 1.672 Straftaten gegen queere Menschen in den letzten fünf Jahren allein in Sachsen. Als Gründe für die große Dunkelziffer benennt die LAG Queeres Netzerwerk Sachsen die geringe Anzeigebereitschaft der Betroffenen. Dazu kommt, dass viele queerfeindliche Straf- und Gewalttaten, die zur Anzeige gebracht werden, nicht zwangsläufig als solche in der Statistik erfasst werden.
Aus Sicht der vom Europarat ins Leben gerufenen Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) wird Hasskriminalität in Deutschland statistisch nicht richtig erfasst, weil sie als solche nur im Rahmen der speziellen Statistik zur politisch motivierten Kriminalität erhoben wird. ECRI hält den Fokus auf eine politische Motivation für irreführend und befürchtet dadurch eine Untererfassung von Hassdelikten. Außerdem empfiehlt ECRI, bereits jede Straftat, die von Opfern oder Zeug*innen als z. B. rassistisch oder queerfeindlich empfunden und entsprechend angezeigt wurde, in jedem Fall als solche auch statistisch zu erfassen, während die maßgebliche Definition des Bundeskriminalamts auf eine objektive Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung der Täter*innen abstellt. Berlin hat mittlerweile in Bezug auf die Statistik zu queerfeindlichen Straf- und Gewalttaten insofern eine Vorreiterrolle eingenommen, als dort die auf Landesebene erhobenen Daten zur politisch motivierten Kriminalität konsequent veröffentlicht werden und das sogenannte „Unterthema ‚sexuelle Orientierung‘“ hierbei gesondert ausgewiesen wird.
Auch wurden in Bremen bereits Maßnahmen ergriffen, um queere Menschen zu schützen. In Bremen wurden für 2019 nur elf queerfeindliche Straftaten erfasst. Dies zeigt die Relevanz, ein besonderes Augenmerk auf die Dunkelziffer zu legen und dieses Feld weiter zu erarbeiten. Die Bremer Polizei hat die Funktion eines LGBTI-Beauftragten geschaffen, der als Ansprechperson für queere Menschen fungiert. Solche Maßnahmen sind wichtig, um Sensibilisierung, Schutz und Beratung zu stärken.
Angesichts der auch von der EU-Kommission festgestellten Tatsache, dass LGBTIQ unverhältnismäßig stark von Hassdelikten, Hetze und Gewalt betroffen sind, erscheint es unverständlich, dass queerfeindliche Hasskriminalität offenbar noch nie auf der Tagesordnung der seit 1954 bestehenden Innenministerkonferenz stand. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) hat daher am 21. Januar an die Innenminister*innen und Innensenatoren in Bund und Ländern appelliert, endlich eine gemeinsame Strategie gegen queerfeindliche Hasskriminalität zu entwickeln.
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