Unsere politische Arbeit für
Bremen & Bremerhaven

Person schweißt

Antrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Die Linke und der SPD

 

Lange galt das Handwerk in weiten Teilen als Männerdomäne. Aktuell haben wir bei den Auszubildenden immerhin einen Frauenanteil von annähernd 20 Prozent. Sieht man genauer hin, sind es vor allem handwerkliche Berufe aus dem kreativen Bereich, die von Frauen ergriffen werden: Besonders beliebt sind das Friseur*innen- und Konditor*innenhandwerk oder eine Ausbildung in der Maßschneiderei oder in Gold- und Silberschmieden.

Aber auch in einigen gewerblich-technischen Berufen konnte der Frauenanteil in den vergangenen Jahren deutlich gesteigert werden. Ob Zweiradmechanikerin, Tischlerin, Dachdeckerin oder Heizungsinstallateurin: viele Beispiele zeigen, dass es gelingen kann, mehr Frauen für diese Berufe zu begeistern. In vielen Gewerken wird das Handwerk nach und nach weiblicher.

Es muss also festgehalten werden, dass die Potentiale von Frauen in Handwerk, Technik und Ökologie zu wenig wahrgenommen werden und Aufstiegs- und Karrierechancen noch immer deutlich zugunsten von Männern ausfallen. Es braucht daher eine Stärkung beruflicher und unternehmerischer Potentiale von Frauen, den Abbau von Zugangsbarrieren und eine Sensibilisierung für offene Unternehmenskulturen sowie den Abbau von Diskriminierung am Arbeitsplatz.

Einige andere Bundesländer wie Baden-Württemberg oder Hamburg haben daher bereits spezielle Programme und Kampagnen zur Förderung von Frauen im Handwerk initiiert. Mit Angeboten für Schülerinnen wird versucht, zu einem frühen Zeitpunkt eine Perspektiverweiterung auf Handwerksberufe zu schaffen. Hamburger Handwerkerinnen erhalten durch spezielle Beratung und Begleitung eine bessere Orientierung zu den Vorteilen von Aufstiegsqualifizierungen und konkrete Umsetzungsstrategien. Gezielte Praktikumsstellen im handwerklichen Bereich eröffnen die Chance, sich später für Handwerksberufe entscheiden zu können.

Auch im Land Bremen werden Jugendliche mit verschiedenen Maßnahmen und Programmen, wie z.B. der „Berufsorientierung und Lebensplanung ohne Klischees“ (Be Ok), bei einer unvoreingenommenen und klischeefreien Berufswahl unterstützt. Dabei werden sie unter anderem auch über Wege in die duale Ausbildung und ins Handwerk aufgeklärt. Die in der vergangenen Legislatur verabschiedete Senatsstrategie „Gendergerechtigkeit und Entgeltgleichheit“ verfolgt zudem das Ziel, allen Geschlechtern die gleichen Chancen im Erwerbsleben zu verschaffen. Im Zuge dessen sind auch Maßnahmen in Umsetzung und Planung, die zum Ziel haben, Geschlechterrollen und Klischees in der Berufswahl, der Ausbildung und im Beruf abzubauen. Darunter fällt die aus EFRE-Mitteln finanzierte Fördermaßnahme „Gender Diversity in KMU“, die darauf ausgerichtet ist, Frauen für Fach- und Führungspositionen zu gewinnen und in den Unternehmen ein Diversity-Management einzuführen. Um im Handwerk für mehr Geschlechtergerechtigkeit zu sorgen und um dem zunehmenden Fachkräftemangel in diesem Bereich zu begegnen, wollen wir im Rahmen der bestehenden Maßnahmen noch einmal einen verstärkten Fokus auf die Förderung von Frauen im Handwerk legen, mit dem Ziel, Betriebe, Handwerksorganisationen sowie Bildungseinrichtungen darin zu unterstützen, mehr Frauen als Fachkräfte im Handwerk zu gewinnen.

Über die Repräsentanz von queeren Menschen im Handwerk ist bisher wenig bekannt, da die verfügbaren Studien oftmals nur binär das Geschlechterverhältnis erfassen. Generell ist aber bekannt, dass auch queere Menschen in der Arbeitswelt benachteiligt sind, Diskriminierung erfahren und in männlich dominierten Berufen unterrepräsentiert sind.

 

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,

  1. gemeinsam mit der Handwerkskammer, der Kreishandwerkerschaft, den Innungen sowie Akteur*innen aus Bildung und Gleichstellung gute Ausbildungsbedingungen so zu fördern, dass der Anteil von Frauen in allen Handwerksberufen, insbesondere in gewerblich-technischen Berufen, gezielt erhöht werden kann, und zu prüfen, welche spezifischen Maßnahmen und Förderelemente in die Bereiche Berufsorientierung, Aus- und Weiterbildung, Aufstiegsförderung sowie Gründung und Betriebsübernahme hierfür integriert werden können. Folgendes soll dafür in den Blick genommen werden:
    1. Stärkung der Berufsorientierung und -beratung für Frauen mit dem Ziel, praxisnahe Einblicke in Handwerksberufe zu geben, traditionelle Rollenbilder zu hinterfragen und ermutigend zu wirken, umgesetzt beispielsweise durch mehr und gezieltere Informationskampagnen an Schulen und spezielle Angebote im anvisierten Berufsorientierungslabor „Tec-Lab“ des neuen Klimacampus;
    2. Gezieltes Anwerben von berufserfahrenen Handwerkerinnen für eine Tätigkeit als Ausbilderin oder Ausbildungsbeauftragte mittels einer Meisterprüfung oder Ausbildereignungsprüfung, um für Auszubildende im Betrieb mehr unmittelbare weibliche Vorbilder und Ansprechpartnerinnen zu gewinnen und gleichzeitig Handwerkerinnen ein Angebot zu mehr Führungsverantwortung zu machen;
    3. Nutzung der Erkenntnisse der Studie „Geschlechteruntypische Ausbildungen“ des Zentrums für Arbeit und Politik (zap) für die (Weiter-)Entwicklung von Beratungs- und Unterstützungsangeboten im Fall von ausbildungsbedrohenden Situationen und von Fortbildungsmodulen für Lehrkräfte, Ausbilder*innen und Berater*innen;
    4. Schaffung eines Beratungs- und Begleitangebots für Gesellinnen, die nächste Karriereschritte anstreben. Das Angebot soll zu persönlicher Karriereplanung, Aufstiegsfortbildungen und Meisterkursen sowie zu finanziellen Fördermöglichkeiten beraten und die Frauen bedarfsorientiert auf ihrem Weg begleitet;
    5. Förderung von Mentoring-Programmen, in denen aufstiegsmotivierte Frauen durch erfahrene Handwerker*innen unterstützt werden. Diese Programme sollen Austausch und Wissenstransfer erleichtern und insbesondere die Weitergabe von Managementkompetenzen und betriebswirtschaftlichem Wissen fördern;
    6. Unterstützung bei Existenzgründungen und vor allem bei Betriebsübernahmen durch, anknüpfend an bestehende Angebote z.B. des Starthauses oder von belladonna, weitere spezielle Beratungsangebote, finanzielle Anreize und Coachings, die auf die Herausforderungen von Frauen im Handwerk zugeschnitten sind. Dazu gehören zum Beispiel Hilfestellungen beim Aufbau eines Kundennetzwerks und bei der Überwindung geschlechtsspezifischer Hürden in der Unternehmensführung;
    7. Gezielte Information in Meisterkursen und Beratungsangebote für selbstständige Handwerkerinnen zu den Themen Schwangerschaft und Mutterschaft sowie existierenden Versicherungsmöglichkeiten;
    8. Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf wie die 4-Tage-Woche oder andere flexiblere Arbeitszeitmodelle;
    9. Erhöhung der Sichtbarkeit von Frauen im Handwerk durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit und Erfolgsbeispiele, die ihren Beitrag zur Vielfalt und Innovationskraft des Handwerks betonen und so die Attraktivität dieser Berufe für eine breitere Zielgruppe fördern;
  1. gemeinsam mit der Handwerkskammer, der Kreishandwerkerschaft, den Innungen sowie der Agentur für Arbeit nach Möglichkeiten zu suchen, die den Quereinstieg für Frauen jeden Alters in Handwerksausbildungsberufe ermöglichen und unterstützen und hierfür auch Möglichkeiten zur Ausbildung in Teilzeit zu schaffen und aktiv anzubieten;
  1. gemeinsam mit der Jugendberufsagentur das genderklischeefreie Bewerben von gewerblich-technischen Handwerksberufen weiter zielgruppenspezifisch auszubauen;
  1. sich im Bund für die Schaffung passgenauer Mutterschutzleistungen für selbstständige Handwerkerinnen einzusetzen, unter anderem durch die Prüfung eines Modellprojekts von Betriebshelfer*innen im Handwerk in Anlehnung an das System der Betriebshelfer*innen in der Landwirtschaft;
  1. zu prüfen, inwieweit auch queere Menschen im Handwerk unterrepräsentiert sind, und welche Maßnahmen geeignet sind, um ihre Repräsentanz zu erhöhen;
  1. der staatlichen Deputation für Arbeit, der staatlichen Deputation für Wirtschaft und Häfen sowie dem Ausschuss für die Gleichstellung der Frau innerhalb von sechs Monaten nach Beschlussfassung zu berichten.

 

Dr. Franziska Tell, Dr. Henrike Müller
und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Klaus-Rainer Rupp, Maja Tegeler, Sofia Leonidakis, Nelson Janßen
und Fraktion Die Linke

Basem Khan, Volker Stahmann, Selin Arpaz, Medine Yildiz,
Mustafa Güngör und Fraktion der SPD