Nur dank mutiger Hinweisgeber*innen, so genannten Whistleblowern, konnten diverse Rechtsverstöße weltweit aufgedeckt und abgestellt werden. Die Hinweisgeber*innen haben dafür oft einen hohen persönlichen Preis gezahlt. Diese Erfahrung kann abschreckend auf andere wirken und eine Kultur des Wegschauens begünstigen. Whistleblower handeln im öffentlichen Interesse. Der Staat muss daher Rechtssicherheit für sie gewährleisten und zugleich einen ausreichenden Schutz vor falschen Behauptungen sicherstellen.
Um Hinweisgeber*innen besser zu schützen, hatten das Europäische Parlament und der Europäische Rat im vergangenen Jahr die EU-Whistleblower-Richtlinie verabschiedet. Sie ist am 16. Dezember 2019 in Kraft getreten und muss binnen zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden. Mit der Richtlinie wird ein EU-weiter Mindeststandard für den Schutz von Hinweisgeber*innen eingeführt. Unternehmen und Behörden sind künftig verpflichtet, zuverlässig funktionierende Meldekanäle für Rechtsverstöße einzurichten. Hinweisgeber*innen können sich sowohl an interne als auch externe Meldestellen wenden, unter bestimmten Voraussetzungen auch direkt an die Öffentlichkeit. In allen Fällen soll sie vor Repressalien geschützt sein, zum Beispiel davor, suspendiert, herabgestuft oder gemobbt zu werden. Zu diesem Zweck sieht die Richtlinie eine Beweislastumkehr zugunsten der Whistleblower vor. So muss das Unternehmen bzw. die Behörde künftig beweisen, dass beispielsweise die Nichtverlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags keine Repressalie für eine zuvor erfolgte Meldung eines Rechtsverstoßes darstellt. Gelingt der Beweis nicht, sieht die Richtlinie einen Schadensersatzanspruch der Whistleblower vor, der auch künftige finanzielle Einbußen sowie immaterielle Schäden wie Schmerzensgeld umfasst. Darüber hinaus sind „angemessene und abschreckende Sanktionen“ für Personen, Unternehmen und Behörden vorgesehen, die Meldungen be- oder verhindern, Vergeltungsmaßnahmen gegen Whistleblower vornehmen oder die Identität von Whistleblowern offenlegen.
Der Anwendungsbereich der Richtlinie ist auf die Meldung von Verstößen gegen das EU-Recht begrenzt. Die Mitgliedstaaten dürfen aber bei der Umsetzung über den Mindeststandard hinausgehen, so dass die deutsche Gesetzgebung den Anwendungsbereich auf Verstöße gegen deutsches Recht erweitern kann. Bundesjustizministerin Lambrecht kündigte jüngst eine entsprechende Gesetzesinitiative an. Diese Möglichkeit sollte auch unbedingt genutzt werden, denn anderenfalls müssten Hinweisgeber*innen immer selbst herausfinden, ob der zu meldende Vorstoß europäische oder nationale Rechtsbereiche verletzt. Diese Zuordnung ist selbst für juristische Fachleute oft schwierig, statt Rechtssicherheit würde neue Unsicherheit geschaffen.
Der gesetzgeberische Handlungsbedarf besteht vor allem auf Bundesebene. Doch auch landesrechtlich bestehen schon jetzt einige Spielräume für eine Verbesserung des Whistleblower-Schutzes. So könnte im Bremischen Disziplinargesetz die Einstellung des Disziplinarverfahrens vorgeschrieben werden, wenn hinweisgebende Beamt*innen sich an die Vorgaben entsprechend der Whistleblower-Richtlinie gehalten haben. In die Landeshaushaltsordnung sowie ins Tariftreue- und Vergabegesetz könnten Anforderungen für einen wirksamen Whistleblower-Schutz aufgenommen werden, die von Unternehmen einzuhalten sind, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist. Für die nichtverbeamteten Beschäftigten des Landes und der Stadtgemeinden sollten mit den Gewerkschaften weitere Möglichkeiten des Whistleblower-Schutzes erörtert werden.
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