Sind Enteignungen von Wohnungsunternehmen ein Weg, um dem Wohnraummangel etwas entgegenzusetzen? Über diese Frage ist bundesweit eine Diskussion entbrannt.
„Enteignungen widersprechen weder dem Grundgesetz noch sind sie ‚DDR-Sozialismus‘, wie manche Kritiker behaupten. Aber Enteignungen sind eben auch kein wirksames Mittel gegen den Wohnungsmangel. Denn die Anzahl der Wohnungen bleibt dieselbe, egal ob sie nun in kommunaler oder privater Hand sind“, betont der SPD-Fraktionsvorsitzende, Björn Tschöpe, und fordert für Bremen eine Versachlichung der Debatte. „Enteignungen ganzer Wohnungsbauunternehmen würden uns nicht weiterhelfen. Die enormen Beträge, die Bremen für die Entschädigung der bisherigen Eigentümer aufbringen müsste, wären als direkte Investition in den Bau neuer Wohnungen weitaus sinnvoller eingesetzt. Am Ende ist die Rechnung einfach: Nur zusätzlicher Wohnraum hilft gegen den Mangel und dient, aufgrund der Vergrößerung des Angebots, letztlich auch dazu, die Mieten zu begrenzen“, ist der Sozialdemokrat überzeugt.
Um auf das offensichtliche „Nichtfunktionieren“ des Wohnungsmarktes zu reagieren, müsse allerdings parallel dazu das gesamte zur Verfügung stehende Instrumentarium genutzt werden, so Tschöpe. „Um das Problem des spekulativen Leerstands von Baugrundstücken anzugehen, hat sich beispielsweise Tübingen auf einen richtigen Weg gemacht. Dort wird mittlerweile das Baugebot nach § 176 Baugesetzbuch zur Anwendung gebracht. Konkret: Wer Bauland nicht tatsächlich auch innerhalb von vier Jahren bebaut und innerhalb von zwei Jahren einen entsprechenden Bauantrag stellt, muss sein Grundstück an die Stadt oder bauwillige Dritte weiterveräußern. Diesen Weg sollte auch Bremen einschlagen, um teilweise seit Jahren freie Baulücken und fertig erschlossene Baugrundstücke endlich für den Wohnungsbau zu nutzen“, betont Tschöpe.
Eine Initiative dazu hatte die SPD-Fraktion bereits Ende 2017 angestoßen und eine entsprechende Kleine Anfrage ans Bauressort gerichtet – damals hieß es aus dem Ressort noch, dass man in der Anwendung des Baugebots „kein zweckmäßiges Mittel“ sehe. Tschöpe: „Ich halte es angesichts der anhaltenden Wohnungsnot für sinnvoll, noch einmal genau darüber nachzudenken, warum etwas in Tübingen, aber nicht in Bremen zweckmäßig sein kann. Für mich steht fest: Das ist ein Thema, dessen wir uns auch in Bremen dringend annehmen müssen, um die Bautätigkeit weiter zu steigern und mehr Wohnraum zu schaffen. Das würde uns hier vor Ort mehr helfen als die Enteignungsdiskussion, die keinen Quadratmeter zusätzlichen Wohnraum bringt.“
Tschöpe macht aber auch deutlich, dass Enteignungen einzelner Objekte sehr wohl sinnvoll sein können. Allerdings nicht zur Milderung der Wohnungsnot, sondern zur Umsetzung des Grundgesetzpostulats „Eigentum verpflichtet“: „Ein Negativbeispiel sind die Zustände in der Neuwieder Straße 1 und 3. Dort werden Mieter seit Jahren von wechselnden Eigentümergesellschaften im Stich gelassen. Wo aber Fassaden bröckeln und – trotz teilweise gesundheitsgefährdender Mängel – keinerlei messbare Sanierungsinvestitionen getätigt werden, müssen wir tatsächlich über deutliche Schritte nachdenken – angefangen mit dem Mittel der Ersatzvornahme über den Einbehalt staatlicher Mietzahlungen für Transferleistungsempfänger bis hin zu Enteignungen.“
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