Unsere politische Arbeit für
Bremen & Bremerhaven

Kleine Anfrage der Fraktion der SPD

 

Zwischen Schule und Ausbildung oder Studium aber auch in anderen Lebensphasen interessieren und entscheiden sich viele Menschen in unseren beiden Städten für ein Freiwilliges Jahr in den Bereichen Soziales, Ökologie, Kultur, Sport oder Politik. Ein solcher Freiwilligendienst kann ein wichtiges Orientierungs- und Erfahrungsjahr sein, das den weiteren Lebensweg maßgeblich bestimmt. Gleichzeitig leisten Freiwilligendienstleistende mit ihrem Einsatz in beispielsweise Pflegeeinrichtungen, Kitas, Sportvereinen, Museen oder Umwelteinrichtungen einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Zivilgesellschaft und des sozialen Zusammenhalts. Freiwilligendienste haben zudem das Potenzial soziale und nachhaltige Berufe in Zeiten des Fachkräftemangels erlebbar und attraktiv zu machen.

 

Die vergangenen Jahre waren für Freiwilligendienste sehr herausfordernd. Zunächst hat die Corona-Pandemie viele Einsatzmöglichkeiten zeitweise stark eingeschränkt oder verändert. Dann hat die Energie- und Lebensmittelpreiskrise als Folge des russischen Angriffskriegs viele junge Menschen unter wirtschaftlichen Druck gesetzt. Zudem sind die jüngsten Krisen an vielen jungen Menschen nicht spurlos vorbeigezogen: Verunsicherung und psychosoziale Probleme treten vermehrt auf. Hinzu kommt, dass der Freiwilligendienst mit dem freiwilligen Wehrdienst und dessen deutlich besseren finanziellen Leistungen und aufsehenerregenden Werbekampagnen einen starken Konkurrenten um junge Menschen in einer Orientierungsphase hat.

 

Neben diese Herausforderungen haben jüngste Berichte von Trägern über ein zuletzt sinkendes Interesse am Freiwilligendienst und die Ankündigung der Bundesregierung, Bundesmittel für Freiwilligendienste im nächsten Haushalt kürzen zu wollen, die Debatte um bessere Rahmenbedingungen für Freiwilligendienste neu entfacht. Zentrale Kritikpunkte sind eine mangelnde gesellschaftliche Anerkennung und Flexibilität im Freiwilligendienst und eine soziale Ungleichheit im Freiwilligendienst, die sich durch die Inflation weiter verschärft. Gerade junge Menschen aus einkommensschwachen Familien können sich, trotz Interesse, eine Freiwilligendienst oftmals nicht leisten. Gleichzeitig kommt eine Studie der Bertelsmann Stiftung zu dem Ergebnis, dass das Potenzial der Freiwilligendienste für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland bislang noch nicht ausgeschöpft wird.

 

Bremen ist diesen Herausforderungen zuletzt mit verschiedenen Maßnahmen begegnet. Es wurden mehr Plätze für Freiwilligendienste geschaffen, eine trägerübergreifende Fachstelle für psychosoziale Beratung während des Freiwilligendiensten eingerichtet und seit letztem Jahr können Freiwilligendienstleistende mit dem Jugendticket ermäßigt den ÖPNV nutzen. Ziel muss es bleiben, den Freiwilligendienst weiterhin zu stärken und damit attraktiv für alle jungen Menschen ebenso wie andere Zielgruppen zu gestalten.

 

Wir fragen den Senat:

 

  1. Welche Bedeutung und Relevanz haben Freiwilligendiensten für das Land Bremen und seine Bewohner:innen aus der Perspektive des Senats?

 

  1. Wie werden die Freiwilligendienste (FSJ/FÖJ und BFD) im Land Bremen beworben und wie werden junge Menschen und andere Zielgruppen gezielt auf die vielfältigen Einsatzbereiche und Tätigkeitsfelder aufmerksam gemacht?

 

  1. Wie können sich Interessierte über einen Freiwilligendienst im Land Bremen und dessen Rahmenbedingungen informieren und sich beraten lassen?

 

  1. Welche Handlungsspielräume haben das Land Bremen bzw. seine Kommunen, die Träger und die Einsatzstellen bei der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen der Freiwilligendienste (FSJ/FÖJ und BFD), d.h. hinsichtlich Zugangsvoraussetzungen, Beginn & Dauer, Arbeitszeit & Urlaub, Taschengeld & anderer Vorteile (z.B. Unterkunft, Verpflegung, Fahrtkosten), Betreuung und Begleitprogramm?

 

  1. Welche (sozialen) Unterstützungsangebote und -leistungen für Freiwilligendienstleistende gibt es derzeit im Land Bremen, wie werden Freiwilligendienstleistende jeweils darüber informiert und wie viele nehmen diese in Anspruch?

 

  1. Wie viele und welche Träger von Freiwilligendiensten gibt es derzeit im Land Bremen und wie hat sich ihre Zahl seit 2018 jährlich dargestellt? (bitte für FSJ/FÖJ und BFD getrennt angeben)

 

  1. Wie viele Einsatzstellen für Freiwilligendienst untergliedert in die Bereiche Soziales, Ökologie, Kultur & Politik sowie Sport wurden seit 2018 jährlich in Bremen und Bremerhaven angeboten? Wie viele davon im Bereich der öffentlichen Verwaltung oder in öffentlichen Einrichtungen? (bitte für FSJ/FÖJ und BFD getrennt angeben)

 

  1. Wie viele Bewerber:innen auf ein Freiwilligendienst im Land Bremen gab es seit 2018, wie viele Freiwilligendienstleistende haben im selben Zeitraum ihren Dienst angetreten, wie viel Prozent eines Schulabgänger:innenjahrgangs haben jeweils einen solchen Dienst angetreten und wie erklärt und bewertet der Senat diese Zahlen (Zahlen bitte jährlich und für FSJ/FÖJ und BFD getrennt angeben)?

 

  1. Wie viele Freiwilligendienstleistende haben ihren Dienst seit 2018 vorzeitig abgebrochen (bitte jährlich angeben) und welche Gründe für einen vorzeitigen Abbruch sind dem Senat bekannt?

 

  1. Wie viele Stellen, die sich speziell an (junge) Menschen mit Beeinträchtigungen richten, wurden jährlich seit 2018 angeboten und wie viele Bewerber:innen gab es jeweils auf diese Stellen?

 

  1. Liegen dem Senat Daten über sozialstrukturelle Merkmale der Freiwilligendienstleistenden im Land Bremen vor, insbesondere über Geschlecht, Bildung und Zuwanderungsgeschichte? Wenn ja, wie kann deren Verteilung pro Jahrgang seit 2018 beschrieben werden?

 

  1. Wie hoch ist der Anteil derer, die aus anderen Bundesländern nach Bremen und Bremerhaven ziehen, um hier einen Freiwilligendienst zu absolvieren? (bitte jährlich ab 2018 angeben und wenn möglich einen Zuzug aus Niedersachsen separat angeben)

 

  1. Welche Kenntnisse hat der Senat über den weiteren Werdegang von Freiwilligendienstleitenden nach Beendigung ihres Dienstes? Welcher Anteil fängt im Anschluss eine Ausbildung in der Einsatzstelle oder beim gleichen Träger an? Welcher Anteil fängt eine Ausbildung, welcher ein Studium an? Welcher Anteil ist weiterhin ehrenamtlich beim gleichen Träger/Einsatzstelle tätig?

 

  1. Wie ist die trägerübergreifende Fachstelle für psychosoziale Beratung aus dem Aktionsprogramm Aufholen nach Corona von Freiwilligendienstleistenden und vom pädagogischen Fachpersonal angenommen worden? Welche Anliegen und Problemlagen haben bei beiden Zielgruppen in den Beratungen dominiert und inwiefern konnte den Beratungssuchenden geholfen und das Ziel, Abbrüche zu vermeiden, erreicht werden?

 

  1. Welche Perspektive gibt es für die Weiterführung dieses Beratungsangebots nach Ende des Projektlaufzeit über das Aktionsprogramm Aufholen nach Corona?

 

  1. Inwiefern konnten die im Rahmen des Aktionsprogramms Aufholen nach Corona zusätzlich geschaffenen Einsatzstellen in Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe besetzt werden und inwieweit haben die Einsatzstellen von den Freiwilligen profitiert?

 

  1. Welche Perspektive gibt es für die Weiterführung dieser Einsatzstellen nach Ende des Projektlaufzeit über das Aktionsprogramm Aufholen nach Corona?

 

  1. Wie bewertet der Senat die derzeitigen Pläne der Bundesregierung, die Mittel für Freiwilligendienste im Bundeshaushalt für 2024 und mittelfristig für 2025 deutlich zu kürzen und welche Auswirkungen erwartet der Senat auf die Freiwilligendienste im Land Bremen?

 

  1. Welche Maßnahmen sollten nach Einschätzung des Senats auf Bundes- und auf Landeseben ergriffen werden, um Freiwilligendienste generell zu stärken, das Interesse an einem Freiwilligendienst speziell im Land Bremen zu steigern sowie insbesondere Zugangshürden für sozio-ökonomisch benachteiligten jungen Menschen abzubauen?

 

 

Katharina Kähler, Selin Arpaz, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD