Die Infektionszahlen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 steigen derzeit weltweit rasant an. Zur Eindämmung der Epidemie wurde das öffentliche Leben in Deutschland und vielen anderen Staaten weitreichend eingeschränkt. Die Maßnahmen treffen unvermeidlich nicht nur das Sozialleben, sondern auch die Wirtschaft hart. Erwerbstätige haben bereits jetzt mit Einkommenseinbußen, Beschäftigungsverlusten und drohenden Insolvenzen zu kämpfen. Laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit waren im April 300.000 Menschen mehr erwerbslos als im März 2020. Die Anmeldungen für Kurzarbeit liegen mit 10 Millionen um ein Vielfaches höher als in der Finanzkrise 2009. Für Erwerbslose verschlechtern sich die Chancen, aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen. All dies wird wiederum in Einnahmeausfälle von Kommunen, Ländern und Bund münden.
Bund und Länder haben bereits deutlich gemacht, dass die Rezession nicht durch eine Einschränkung von Staatstätigkeit „nach Kassenlage“ weiter verschärft werden darf. Im Gegenteil ist der Staat gefordert, die Auswirkungen abzufedern und gleichzeitig das Vertrauen der Bürger*innen in eine positive zukünftige Wirtschaftsentwicklung zu befördern. Bremen hat mit seinem Rettungsschirm für kleine und mittlere Unternehmen schnell reagiert und jetzt den Bremen-Fonds mit einem Volumen von 1,2 Milliarden Euro aufgelegt, um den Mittelrahmen für die nächsten Aufgaben abzustecken. Der Bund hat ein groß angelegtes Stabilisierungsprogramm aufgelegt und unterstützt unter anderem mit der Ausweitung des Kurzarbeitergeldes, Programmen für Großbetriebe, der Erleichterung des Zugangs zur Grundsicherung sowie befristeten Maßnahmen des Zivilrechts wie der Möglichkeit der Mietstundung.
Diese Maßnahmen zielen darauf, möglichst vielen Erwerbstätigen und Unternehmen zu ermöglichen, die Zeit der Einschränkungen des öffentlichen Lebens erfolgreich zu überbrücken. Dennoch ist aufgrund der Tragweite der Einschränkungen und den weltweiten Auswirkungen der Pandemie damit zu rechnen, dass die Arbeitslosenzahlen erheblich ansteigen und viele kleinere und größere Unternehmen in eine Schieflage oder sogar Insolvenz geraten können. Auch vor dem Hintergrund der massenhaften Kurzarbeit ist davon auszugehen, dass eine gesamtwirtschaftliche Investitions- und Konsumzurückhaltung resultiert, die auch nach Aufhebung der Einschränkungen des öffentlichen Lebens nicht ohne weiteres endet. Alle Experten gehen davon aus, dass Deutschland und die EU in eine Rezession abrutschen.
Daher braucht es zusätzlich ein großes Programm zur Wiederbelebung der Wirtschaft, das sowohl auf die Zeit nach den derzeitigen, gesundheitspolitisch bedingen Einschränkungen zielt, als auch jetzt bereits greift. Staatliche Impulse in Form eines Konjunkturprogramms können private Investitions- und Konsumtätigkeit ermutigen, wie die Programme infolge der Finanzkrise erfolgreich belegen konnten.
Die Corona-Krise trifft Wirtschaft und Arbeitsmarkt in einer Phase des laufenden Strukturwandels. Ein nachhaltiger Aufschwung nach der Krise kann nur gelingen, wenn die Konjunkturimpulse sich in diesen nachhaltigen Strukturwandel einordnen. Spezifischen Unterstützungsmaßnahmen ist daher der Vorzug zu geben gegenüber unspezifischen Kostenentlastungen. Absatzförderungen, die Klimaschutz und zukunftsfähigen Strukturwandel konterkarieren, sind nicht geeignet für ein nachhaltiges Erholungsprogramm. An die Maßnahmen zur Überwindung der Corona-Krise stellen sich andere Anforderungen, als an die seinerzeitigen Maßnahmen in der Finanzkrise: Zum einen ist die Notwendigkeit eines zukunftsfähigen Umbaus drängender geworden, zum anderen sind die konkreten Auswirkungen andere.
Als Bestandteil staatlicher Konjunkturimpulse bieten sich insbesondere die Ausweitung und Beschleunigung öffentlicher Bauvorhaben an, da diese durch Neubau oder Sanierung öffentlicher Gebäude nachhaltige Werte schaffen, sozialräumliche und energetische Verbesserungen bewirken. Sie unterstützen dabei gezielt die regionale Wirtschaft, vor allem das Handwerk und die Bauwirtschaft. Diese Branchen haben bis zum Ende des Jahres vielfach die Bücher noch voll. Anschließend wird sich ihre Auftragslage ohne einen gezielten Konjunkturimpuls merklich eintrüben. Ab 2021 können sie zum Motor des nächsten Wirtschaftsaufschwungs werden, wenn öffentliche Aufträge vorbereitet sind.
Vor dem Hintergrund der Erfahrung der Krise sind Investitionen in den Ausbau und die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems und des Pflegewesens erforderlich. Auch Investitionen in technische Infrastrukturen und solche der Mobilität, sowie die Förderung von Investitionen in die Steigerung der Innovationsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt tragen gleichsam zur Wiederbelebung der Gesamtwirtschaft bei und stellen verausgabten öffentlichen Mitteln einen nachhaltigen gesellschaftlichen Aktivposten gegenüber. Dazu gehört auch der Ausbau des Wissenschaftssystems und des Wissenschaftstransfers sowie die Digitalisierung in Schulen und Hochschulen.
Diese Aktivitäten müssen insbesondere in den Dienst von umwelt- und klimapolitischen Zielen gestellt werden. Ein neues Konjunkturprogramm kann nicht per se die Instrumente wieder auflegen, die nach der Finanzkrise 2008 ergriffen wurden. Der Klimawandel hat sich seitdem beschleunigt, das Zeitfenster zum Handeln ist knapper geworden. Wir haben jetzt die Chance zu einem Innovationssprung, der uns der Erreichung der Pariser Klimaziele substantiell näherbringt und unsere Wirtschaft zukunftsfähig macht. Es müssen daher zielgerichtete Investitionen in nachhaltiges Wirtschaften, klimaschonende Mobilität und erneuerbare Energien erfolgen. Forschungs- und Entwicklungsprogramme, die diesen Zielen gewidmet sind, müssen ausgeweitet werden. Da der Wandel zu einer klimapolitisch zukunftsfähigen Wirtschaftsstruktur in sehr kurzer Zeit geschehen muss, sind Maßnahmen zum Erhalt und zur Transformation von bestehenden Arbeitsplätzen und Betrieben von besonderer Wichtigkeit, um auch für die einzelnen Arbeitnehmer*innen eine konkrete Perspektive zu eröffnen.
Gleichzeitig wird es darauf ankommen, den Konjunkturimpuls so früh wie möglich zu setzen. Deshalb ist es erstens geboten, mit den konzeptionellen Planungen für ein Konjunkturprogramm bereits jetzt zu beginnen. Zweitens ist entscheidend, dass die Abwicklung des Programms zügig erfolgt, um die Auftragsbücher der regionalen Wirtschaft schnellstmöglich wieder zu füllen und die arbeitsmarktpolitischen Folgen der Krise zu begrenzen. Hierzu erscheint es z.B. verhältnismäßig, die Wertgrenzen des Vergaberechts für einen befristeten Zeitraum spürbar anzuheben, um so die öffentliche Auftragsvergabe zu vereinfachen und zu beschleunigen.
So können die Folgen der Rezession gemildert, Arbeitsplätze gesichert, und die soziale und technologische Infrastruktur gestärkt werden.
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