Das Bremer Stahlwerk gehört mit seinen rund 4.000 Arbeitsplätzen zu den größten und wichtigsten Arbeitgebern der Region. Stahl ist ein zentraler Werkstoff unserer Wirtschaft. Die industriellen Kompetenzen, namentlich der Bremer Hütte für Flachstahl und die Automobilindustrie, aber auch beim Eisenbahnbau und die Produktion von Windkraftanlagen, haben eine Schlüsselfunktion für zentrale Sektoren der Industrie. Die wirtschaftliche Stabilität der Hütte ist für unser Bundesland und für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Zulieferer von allergrößter Bedeutung. Deshalb ist die wechselvolle Geschichte der Hütte auch immer mit Unterstützung und Solidarität von Senat und Bürgerschaft begleitet worden.
Der Preis- und Wettbewerbsdruck auf dem internationalen Markt für Stahlprodukte ist seit Jahren hoch. In China sind gewaltige Überkapazitäten entstanden, die auf den Weltmarkt drängen. Der Handelsstreit zwischen den USA und der Volksrepublik China verschärft das Problem. Zudem schwächt die heraufziehende Rezession die Nachfrage.
Die Sozial- und Umweltstandards, unter denen der Stahl in China und der Türkei produziert wird, ermöglicht es den Produzenten, den Druck auf die Weltmarktpreise weiter zu erhöhen.
So sind beispielsweise die Stahlimporte aus der Türkei in die EU zwischen 2018 und 2019 im Jahresverlauf um 27 Prozent angestiegen.
Die europäische Stahlindustrie kann diesen Weg auf Kosten von Menschen und natürlichen Lebensgrundlagen nicht mitgehen. Einheimische Stahlproduzenten wie ArcelorMittal Bremen achten die hohen Standards guter Arbeit und reduzieren seit Jahren aus gutem Grund ihren Energieverbrauch und CO2-Ausstoß.
Dennoch ist die Fertigung von Stahl bis heute mit einem sehr hohen Energieeinsatz und einer enormen CO2-Belastung verbunden.
Angesichts der Herausforderungen durch den rasanten Klimawandel müssen die Anstrengungen für die systematische Umstellung der Stahlproduktion auf CO2-ärmere Verfahren beschleunigt werden. Die technologischen Möglichkeiten für diesen Weg sind vorhanden, sie müssen endlich in industriellem Maßstab ihre wirtschaftliche Eignung unter Beweis stellen.
Erfolge auf diesem Gebiet entscheiden über die Zukunft der europäischen Stahlindustrie.
Über den Europäischen Emissionshandel muss ArcelorMittal Bremen bereits heute rund 50 Mio. Euro (bei derzeit 25 Euro pro Tonne) jährlich für den Zukauf von Zertifikaten aufbringen – Tendenz steigend. Das unterscheidet europäische Stahlproduzenten von ihren Konkurrenten aus vielen Drittländern. Nur durch hochinnovative Produkte, ausgeklügelte Produktions- und Arbeitsprozesse sowie hervorragend ausgebildete und motivierte Mitarbeiter gelingt es ihnen, trotz dieser Wettbewerbsnachteile am Markt zu bestehen.
Aktuell ist die betriebswirtschaftliche Situation des Bremer Stahlwerks von ArcelorMittal angespannt. Seit dem zweiten Quartal macht der Konzern Verluste, die Umsätze gingen zurück. Als eine Folge dieser Entwicklung wurde auch im Bremer Werk im zweiten Halbjahr 2019 die Produktion zurückgefahren sowie Arbeitszeit und Löhne um 4 Prozent gekürzt. Zum Jahreswechsel soll nun die Produktion weiter gedrosselt und Kurzarbeit für einen Teil der Beschäftigten eingeführt werden. Das muss als Alarmsignal verstanden werden. Die Sicherung der Arbeitsplätze bei ArcelorMittal Bremen ist von ausgesprochen hoher Bedeutung für das Land Bremen und strategisch wichtig für die Entwicklung einer modernen, CO2-armen Stahlproduktion. Es ist höchste Zeit, für faire Wettbewerbsbedingungen auf dem Weltmarkt zu sorgen, etwa in Form einer CO2‐Grenzsteuer, deren WTO-konforme Einführung die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, prüfen will. Langfristiges Ziel sollte eine weltweite CO2-Bepreisung sein.
ArcelorMittal Bremen hat in den vergangenen Jahren bereits viel in die Verminderung von Treibhausgasemissionen investiert. Das Unternehmen hat einen langfristigen Aktionsplan zur CO2-Reduktion aufgelegt mit dem Ziel, den CO2-Ausstoß innerhalb von zehn Jahren um 20-25 Prozent zu reduzieren. Für darüber hinausgehende Reduktionen ist ein grundlegender Technologiewechsel notwendig, beispielsweise indem die Hochöfen statt mit Kohle mit Wasserstoff betrieben werden. Die Investitionsmittel dafür übersteigen das vorhandene Investitionsbudget. Deswegen sind der Bund und die Europäische Uniongefordert, den Umstieg auf eine Wasserstoffökonomie im Rahmen von Modellprojekten zu fördern. Dabei ist es wichtig, dass grüner Wasserstoff, also solcher aus erneuerbaren Energien, zum Einsatz kommt, um tatsächlich eine Klimaschutzwirkung zu erreichen. Ein solches Modellprojekt sollte am Bremer Stahlwerk angesiedelt werden.
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