Seit dem „Bremer Erlass“ aus dem Jahre 2010 ist Bremen Vorreiter bei der Schaffung aufenthaltsrechtlicher Perspektiven für junge Geflüchtete, die unbegleitet als Minderjährige eingereist sind und sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befinden. Teilweise wurden die Regelungen des Bremer Erlasses mittlerweile vom Bundesgesetzgeber in das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) übernommen. Angesichts der Erfahrungen mit der Anwendung des Erlasses in den vergangenen Jahren und der besonderen Herausforderungen der kommenden Jahre bedarf es einer Weiterentwicklung, um für junge Geflüchtete im Übergang von der Schule zur Berufsausbildung und während der Ausbildung aufenthaltsrechtliche Sicherheit herzustellen.
Viele Betroffene sind in dieser wichtigen Phase des Lebens auf eine Duldung angewiesen, auf deren Verlängerung sie immer wieder neu hoffen müssen. Duldung bedeutet, dass man weiterhin verpflichtet ist, unverzüglich auszureisen, der Staat aber vorübergehend darauf verzichtet, diese Ausreisepflicht mit Hilfe einer zwangsweisen Abschiebung durchzusetzen. Es liegt auf der Hand, dass dieser prekäre aufenthaltsrechtliche Status dem Sicherheitsgefühl und der psychischen Stabilität der jungen Geflüchteten abträglich ist. Viele Auszubildende wissen aus Erfahrung, dass manchmal aus den unterschiedlichsten Gründen ein Wechsel des Ausbildungsbetriebs notwendig ist; für junge Geflüchtete droht in diesem Fall das Aus in Deutschland. Die damit verbundene Belastung kann selbst hoch motivierte Heranwachsende aus der Bahn werfen. Hinzu kommen praktische Probleme, die mit dem Duldungsstatus verbunden sind. Zum Beispiel haben junge Menschen mit einer Duldung kaum eine Chance, eine eigene Wohnung zu bekommen.
Auch aus Sicht der Ausbildungsbetriebe in Bremen und Bremerhaven ist ein gesicherter Aufenthaltsstatus ihrer Azubis von entscheidender Bedeutung. Viele Betriebe würden gerne mehr jungen Geflüchteten eine Chance auf Ausbildung und Integration in den Arbeitsmarkt bieten, schrecken aber vor den mit dem Duldungsstatus verbundenen Unwägbarkeiten zurück. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Ein gesichertes Bleiberecht für junge Geflüchtete kann daher auch einen wichtigen Beitrag gegen den Fachkräftemangel im Land Bremen leisten.
Um die Praxis der Kettenduldungen zu beenden, war im Jahr 2004 mit dem Zuwanderungsgesetz der rot-grünen Bundesregierung in § 25 Absatz 5 AufenthG eine neue Rechtsgrundlage für die Erteilung eines sicheren Aufenthaltstitels geschaffen worden. Demnach können die Ausländerbehörden eine Aufenthaltserlaubnis unter anderem dann erteilen, wenn die Ausreise für die betroffene Person subjektiv unmöglich ist, etwa weil aufgrund des Hineinwachsens in die hiesigen Lebensverhältnisse eine Ausreise unzumutbar wäre. Diese Regelung zur Erteilung humanitärer Aufenthaltserlaubnisse bleibt nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen neben den sonst existierenden Bleiberechts- und Duldungsregeln des Aufenthaltsgesetz anwendbar; sie entfalten keine Sperrwirkung für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 (OVG Bremen, Urteil vom 28. Juni 2011 – 1 A 141/11).
Eine solche Vorschrift ist beispielsweise der § 25a AufenthG, nach dem gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende unter 21 Jahren einen Aufenthaltstitel erlangen können. Diese Regelung ist jedoch in ein so enges Zeitfenster zwischen Einreise- und Geburtsdatum gepresst, dass eigene Integrationserfolge nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die Bürgerschaft (Landtag) hatte vor diesem Hintergrund am 26. September 2018 den Senat aufgefordert, sich einer Bundesratsinitiative für eine Ausweitung der Regelung auf junge Geflüchtete unter 27 Jahren anzuschließen. Die Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG versperrt ebenso wenig die Möglichkeit, jungen Geflüchteten, die sich in Ausbildung befinden, bei entsprechender Verwurzelung im Bundesgebiet eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 5 AufenthG zu erteilen. Und auch bereits im Vorfeld einer Ausbildung kann auf diese Weise jungen Geflüchteten ein gesichertes Bleiberecht gegeben werden, etwa wenn sie aufgrund von Krankheit, Traumatisierung oder Behinderung noch nicht in der Lage sind, eine Ausbildung aufzunehmen, aber aus anderen Gründen als gut integriert gelten können. Durch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor Ausbildungsbeginn wird die Ausbildungsplatzsuche erheblich vereinfacht, emotionale Sicherheit gegeben sowie die Möglichkeit geschaffen, zahlreiche Maßnahmen zur Ausbildungsvorbereitung zu belegen.
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