Unsere politische Arbeit für
Bremen & Bremerhaven

zwei Kinder schauen zusammen auf ein Blatt Papier. Das linke Kind ist Afro-Deutscher und das rechte weiß. Sie sind etwa 10 Jahre alt.

Dringlichkeitsantrag der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD

 

Als Abbild der Gesellschaft sind Schulen kein Ort, der frei von Antisemitismus, oder Rassismus sowie anderen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist. Bereits vor dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 zeigten Studien, dass jüdische Schüler:innen und Lehrkräfte regelmäßig Ziel antisemitischer Beschimpfungen und Gewaltakte werden. Seit dem Oktober letzten Jahres haben weltweit die antisemitischen Übergriffe dramatisch zugenommen. Von diesen Entwicklungen sind weder das Bundesland Bremen noch die Bremer und Bremerhavener Schulen ausgenommen. Auch hier sehen sich Jüd:innen zunehmend Beleidigungen und Bedrohungen ausgesetzt.

Antisemitismus ist aber nicht die einzige Diskriminierungsform im Schulalltag. Ebenso belegt ist die Ausgrenzung von muslimischen Schüler:innen und Schüler:innen mit Migrationsgeschichte. Auch an Bremer und Bremerhavener Schulen gehören Benachteiligung oder Beleidigungen von Schüler:innen mit Migrationsgeschichte oder migrantischer Zuschreibung viel zu oft zum Alltag.

Gerade der Schule als zentraler Sozialisationsinstanz und mit ihrem Auftrag, „gegenseitiges Verständnis und ein friedliches Zusammenleben in der Begegnung und in der wechselseitigen Achtung der sozialen, kulturellen und religiösen Vielfalt zu fördern und zu praktizieren“ (§ 4 Abs. 3 Satz 1 BremSchulG) kommt eine besondere Bedeutung und Verantwortung bei der Prävention von Antisemitismus, und allen Formen von Rassismus zu. Dazu gehören beispielsweise antimuslimischer und anti-Schwarzer Rassismus oder Sinti*zze und Rom*nja-Feindlichkeit. Alle schulischen Akteur:innen sind hier gefordert, mit Schulungen, Sensibilisierung, Reflektion und Abwehr gegenüber intendiertem oder unbewusstem antisemitischen, islamfeindlichen und rassistischen individuellen Handeln sowie entsprechenden Strukturen zu handeln. Schulleitungen, Lehrkräfte, pädagogische Mitarbeiter:innen, Schüler:innen und Eltern sind diejenigen, die eine Kultur der Akzeptanz und Pluralität schaffen und tragen können. Idealerweise gelingt es Schulen, ein Umfeld zu schaffen, das sensibel ist für das Erkennen von Diskriminierungen und ein möglichst vorurteilsfreies Miteinander befördert.

Die verschiedenen Studien zu den Themenfeldern Antisemitismus, und Rassismus an Schulen zeigen allerdings auch, dass Lehrkräfte und Schulleitungen oft überfordert sind, Diskriminierungen im Alltag zu begegnen. Zum Teil fehlt es an Kenntnissen, um vielfältige Formen der antisemitischen, oder rassistischen Herabsetzung zu erkennen. Es kommt auch vor, dass Lehrer:innen nicht über das notwendige pädagogische Handwerkszeug verfügen, bei Diskriminierung schnell und sicher einzugreifen und so die Betroffenen zu schützen und die gesamte Klassengemeinschaft für die Nichtzulassung entsprechender Diskriminierungen zu sensibilisieren.

Um von Diskriminierung Betroffene direkt zu unterstützen, hat die Bremische Bürgerschaft mit dem Doppelhaushalt 2021/2022 Antidiskriminierungsstellen an den Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren (DiBS! – Diskriminierungsschutz und Beratung für Schüler:innen) geschaffen. Diese Stellen haben inzwischen ihre Tätigkeit aufgenommen und unterstützen bei Diskriminierungsfällen Betroffene individuell. Darüber hinaus stellen die Beratungsstellen ihre Expertise auch dem System Schule allgemein zur Verfügung.

Es ist aber auch notwendig, die Themenbereiche Antisemitismus, und alle Formen von Rassismus in der Fortbildung für Lehrkräfte systematisch zu evaluieren und zu stärken. Es ist zu prüfen, ob alle Aspekte angemessen berücksichtigt werden, ob die Angebote ausreichen und ob die verschiedenen Fortbildungen am Landesinstitut für Schule (LIS) und dem Lehrerfortbildungsinstitut in Bremerhaven (LFI) sich sinnvoll ergänzen und ineinandergreifen. Kooperationen zwischen dem LIS, dem LFI sowie den neuen Antidiskriminierungsstellen an den ReBUZ sind zu initialisieren. Bei Bedarf sollten auch weitere Akteur*innen wie die Landesantidiskriminierungsbeauftragte, die Integrationsbeauftragte oder aus der Wissenschaft eingebunden werden.

Auf Initiative der rot-grün-roten Koalition wurde n der vergangenen Legislaturperiode in der Studie „Diskriminierungskritische Analyse von Schulbüchern im Land Bremen“ untersucht, ob und in welchem Umfang in Schulbüchern antisemitische oder rassistische Klischees reproduziert werden. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, „dass sich in fast allen untersuchten Schulbüchern implizit oder explizit antisemitische, rassistische, sinti- und romafeindliche, frauen- und queerfeindliche Inhalte und Abbildungen finden.“ Außerdem werden in der Studie umfangreiche Empfehlungen ausgesprochen, wie Schulmaterialien diskriminierungsfrei weiterentwickelt werden können. Eine Umsetzung dieser Empfehlungen steht noch aus.

In ihrer Arbeit zur Demokratieerziehung werden die Schulen von verschiedenen Akteur:innen politischer Bildungsarbeit unterstützt. Beispielsweise sind das Modellprojekt „akriba – Antisemitismuskritische Bildungsarbeit“ in Trägerschaft der Jugendbildungsstätte LidiceHaus oder das Programm „Schule ohne Rassismus“ der Landeszentrale für politische Bildung zu nennen. Diese Programme gilt es zu stärken, bekannter zu machen und auszuweiten. Die Kooperation mit der Bildungsabteilung der Gedenkstätte Yad Vashem muss intensiviert werden und die Wirkung von Teilnehmer:innen an dieser Kooperation als Multiplikator:innen in die Schullandschaft muss verstärkt werden.

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,

  1. die bestehenden Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrkräfte am LIS und LFI hinsichtlich der Themenfelder Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Rassismus zu evaluieren, Lücken zu identifizieren und, soweit erforderlich, um weitere Angebote zu ergänzen. Bei Bedarf ist für diese Evaluation auch externe Expertise zusätzlich heranzuziehen. Ziel ist es, für Lehrkräfte ein regelmäßiges Angebot vorzuhalten, das sie dabei unterstützt, die bereits genannten Themenfelder sowohl anlassbezogen als auch proaktiv und präventiv im schulischen Alltag und im Unterricht zu verankern und hier stattfindende, auch subtile Diskriminierungen frühzeitig zu erkennen und diesen angemessen zu begegnen; die Geschlechterperspektive sollte dabei Berücksichtigung finden;
  2. eine Fortbildung für Schulleitungen zu entwickeln und regelmäßig anzubieten, in denen der Umgang mit Diskriminierungsfällen an der eigenen Schule im Mittelpunkt steht. Dieses Element ist auch in der allgemeinen Fortbildung für zukünftige Führungskräfte an Schulen fest zu implementieren;
  3. Netzwerke zwischen LIS, LFI, Antidiskriminierungsstellen der ReBUZ sowie den außerschulischen Trägern der politischen Bildungsarbeit zu stärken. Hierbei ist sicherzustellen, dass insbesondere auch der Austausch mit den vielfältigen Betroffenengruppen von Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und Rassismus gewährleistet ist und ihre Perspektive regelmäßig in die Arbeit von LIS und LFI einfließt;
  4. das am Landesinstitut (LIS) angesiedelte Kompetenzzentrum Interkulturalität (KOM.IN) konzeptuell weiterzuentwickeln und dort als weiteres Arbeitsfeld eine Kompetenzstelle „Zusammenleben in der Schule“ zu etablieren, die Schulen präventiv beraten, als Fachstelle für einen altersgerechten Umgang mit ethnisch oder religiös konnotierten Konflikten in Schule fungieren und einen engen Austausch mit den verschiedenen Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften, Beauftragten, Organisationen und säkulären Zusammenschlüssen sowie ggf. Jugendorganisationen, Eltern oder Communities pflegen soll. Dabei soll auch die Lebenswirklichkeit junger Menschen unterschiedlicher Gesellschaftsmilieus einbezogen werden;
  5. einen Plan vorzulegen, wie schrittweise diskriminierungsfreie Schulmaterialien bereitgestellt werden können anlehnend auf Empfehlungen nationaler Studien, u.a. der Studie „Diskriminierungskritische Analyse von Schulbüchern im Land Bremen“;
  6. den Austausch mit der Bildungsabteilung der Gedenkstätte Yad Vashem zu intensivieren und zu prüfen, in welcher Form er sinnvoll ausgeweitet werden kann; dabei sind Wege zu prüfen, in welcher Form die Teilnehmer*innen des Austausches im Anschluss wiederum als Multiplikator:innen ihr erworbenes Wissen weiteren Interessierten zur Verfügung stellen können;
  7. der staatlichen Deputation für Kinder und Bildung ein Jahr nach Beschlussfassung zu berichten.

 

Miriam Strunge, Sofia Leonidakis, Nelson Janßen und Fraktion DIE LINKE

Dr. Franziska Tell, Henrike Müller und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Falko Bries, Mehmet Ali Seyrek, Nurtekin Tepe, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD