Dringlichkeitsantrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und DIE LINKE
Bremen und Bremerhaven stehen für eine gelebte Weltoffenheit, in der Antisemitismus, Rassismus, Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit keinen Platz haben und wo nötig bekämpft werden. Antisemitische Äußerungen und Übergriffe haben jedoch in Deutschland seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 und der anschließenden Eskalation im Nahen Osten mit abertausenden von Toten massiv zugenommen. Gleichzeitig betrachten wir mit Sorge die Entwicklung, dass viele Muslime erneut unter Generalverdacht gestellt und Anfeindungen ausgesetzt sind. Diese Entwicklung macht auch vor unseren Universitäten und Hochschulen nicht Halt.
Studierende an unseren Hochschulen dürfen sich nicht unsicher fühlen. Jeder und jede Studierende egal welcher Herkunft oder Glaubensrichtung, muss angst- und diskriminierungsfrei studieren können. Wir haben den Anspruch, dass jede Demonstration friedlich und ohne Hass abläuft. Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit und jede andere Form von Diskriminierung dürfen dort keinen Platz haben und werden von uns nicht toleriert. Alltagsdiskriminierung, wie das Herunterreißen der Kippa oder des Kopftuchs, dürfen in Bremen und Bremerhaven keinen Raum finden.
Hochschulen sind selbstverständlich Orte der freien Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit ist besonders geschützt. Dazu gehört es auch, dass alle Studierenden und Lehrenden vor menschenfeindlichen Anfeindungen und Gewalt zu schützen sind.
Bis Ende November 2023 zählte die Antisemitismus-Meldestelle RIAS an deutschen Hochschulen 37 antisemitische Vorfälle, für Bremen wurde noch kein Fall gemeldet. Die Dunkelziffer liegt höchstwahrscheinlich um ein Vielfaches höher und auch in Bremen ist nicht auszuschließen, dass Vorfälle ungemeldet bleiben. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung gab im Dezember 2023 eine Studie zu Antisemitismus an Hochschulen in Auftrag. Das Ergebnis: Rund ein Drittel der jüdischen Studierenden haben selbst Diskriminierung erlebt, mehr als die Hälfte hat Diskriminierung beobachtet. Bei acht Prozent der befragten Studierenden sind allgemeine antisemitische Einstellungen und israelbezogener Antisemitismus festzustellen.
Das Themenfeld der Muslimfeindlichkeit an Hochschulen ist hingegen laut dem Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit (Bilanz 2023) kaum untersucht. Zwar wiesen „einzelne (ältere) Untersuchungen nach, wie hoch der Anteil der Diskriminierungserfahrungen von Studierenden ‚mit Migrationshintergrund‘ sei“, dies werde dem zu untersuchenden Phänomen jedoch nicht gerecht. Somit bleibt aktuell nur der Rückgriff auf nicht-repräsentative Einzelbefragungen oder Social-Media-Formate. Dabei werden explizit „religionsbezogene“ Ausgrenzungen und Übergriffe, wie z. B. Diskriminierung wegen des Tragens eines Kopftuchs, Konflikte um Gebetsräume oder die Gründungen von muslimischen Hochschulgruppen, genannt. Es gibt jedoch auch Hinweise auf implizierte Muster, wie schlechtere Förderung oder Benotung von muslimisch wahrgenommenen Menschen durch Lehrende, fehlende Diversität in Förderstrukturen und universitären Leitungsebenen, fehlende „role models“ für wissenschaftliche Karrierewege und islamfeindliche wissenschaftliche Positionen.
Daher ist es nicht auszuschließen, dass es auf Grundlage dieser Ergebnisse auch in der Wissenschaftslandschaft im Land Bremen zu antisemitischen, rassistischen und diskriminierenden Äußerungen und Vorfällen gekommen ist. Die „Arbeitsstelle gegen Diskriminierung und Gewalt – Expertise und Konfliktberatung“ (ADE), die an der Universität Bremen angesiedelt ist und für alle Hochschulen im Land Bremen als Anlaufstelle dient, weist darauf hin, dass es auch an den Hochschulen im Land Bremen Probleme mit Menschenfeindlichkeit durch eine ausgrenzende Gesprächskultur oder Schmierereien, etwa auch durch antisemitische und rassistische Symbole, gibt. Derartige Schmierereien werden durch ein Meldesystem umgehend dem Staatsschutz gemeldet und entfernt.
Die Universität Bremen hat im April 2024 eine neue Satzung zur Antidiskriminierung verabschiedet, welche über die bestehenden Vorgaben des AGG hinausgeht. Um diese bekannt zu machen, wurden alle Studierenden und Lehrenden über Leitfäden auf unbürokratische Weise über die Inhalte informiert. So soll sichergestellt werden, dass vor allem von Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus betroffene Personen künftig besser geschützt werden können. Die Dekanate bzw. Studiendekane wurden dahingehend gesondert sensibilisiert.
Auch die anderen Hochschulen im Land Bremen arbeiten bereits an ähnlichen Satzungen, um diskriminierungssensible Strukturen zu schaffen bzw. diese zu stärken. Es besteht ein regelmäßiger Austausch zwischen der ADE und allen Bremer Hochschulen, um eine Thematisierungskultur zu festigen und damit einen bewussten Umgang mit und besseren Schutz vor Diskriminierung, Antisemitismus und Rassismus zu ermöglichen. Diese Arbeit gilt es zu unterstützen. Rahmenbedingungen für die Umsetzung zu schaffen, hat oberste Priorität, damit die Hochschulen sichere Orte des Respekts, der Toleranz, der Verständigung und Lernens sein können.
Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:
Die Bürgerschaft (Landtag) bekräftigt erneut und in aller Deutlichkeit, dass jegliche Form von Antisemitismus, Diskriminierung, Muslimfeindlichkeit oder Rassismus im Land Bremen verurteilt und bekämpft wird.
Die Bürgerschaft (Landtag) stellt sich klar gegen die immer öfter laut werdende Forderung an deutschen Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen, die Zusammenarbeit mit Institutionen und Akteur*innen in und aus Israel einzustellen und ermutigt stattdessen alle Bremischen Hochschulen, wissenschaftlichen Einrichtungen und Akteur*innen im Land Bremen, die Zusammenarbeit fortzuführen.
Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,
Dr. Franziska Tell, Kai Wargalla, Dr. Henrike Müller
und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Janina Strelow, Arno Gottschalk, Mehmet Ali Seyrek,
Nurtekin Tepe, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD
Tim Sültenfuß, Nelson Janßen, Sofia Leonidakis
und Fraktion DIE LINKE
SPD-Bürgerschaftsfraktion
Land Bremen
Wachtstraße 27/29
28195 Bremen
Tel: 0421 336 77 0
E-Mail: info@spd-fraktion-bremen.de