Unsere politische Arbeit für
Bremen & Bremerhaven

Antrag der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Die Linke

 

Schätzungsweise 70 Prozent des Kokains in Europa kommt mittlerweile über die Häfen an. Insbesondere aus südamerikanischen Herkunftsländern wie Kolumbien und Peru, den beiden Ländern mit der weltweit höchsten Kokain-Produktion, und Transitländern wie Ecuador als weltweit größten Bananen-Exporteur nehmen die Drogen häufig über Container mit Bananenkisten, aber auch in Hohlräumen in Schiffen unterhalb der Wasserlinie, verschiedene Routen in europäische Häfen. Dabei gewinnen Routen über Häfen in Westafrika zwecks Verschleierung an Bedeutung. Laut UN-Bericht haben sich die Nordseehäfen in den Niederlanden, Belgien und Deutschland zu den wichtigsten Import-Drehscheiben für Kokain in Westeuropa entwickelt, wobei insbesondere Antwerpen, aber auch Rotterdam bislang als Hotspots gelten. 2021 haben die Behörden in Antwerpen 89,5 Tonnen, in Rotterdam 70,6 Tonnen und in Hamburg 19 Tonnen Kokain beschlagnahmt. Mehrfach in Folge übertrumpfen sich die Zollbehörden in den vergangenen Jahren bei den größten Drogenfunden. Die Erfahrung und Ermittlungen zeigen jedoch: Je mehr Rauschgift gefunden wird, desto höher auch die Dunkelziffer. Jährlich steigen die Handelsmengen; auch Deutschland ist immer stärker betroffen. Gleiches gilt für die Drogentoten: 2023 hat das Bundeskriminalamt (BKA) 2.227 drogenbedingte Todesfälle registriert – etwa doppelt so viele wie vor zehn Jahren und rund zwölf Prozent mehr als im Vorjahr (1.990 Fälle). Vor dem Hintergrund dieser Zahlen und aufgrund der Gefahr für unsere Demokratie und Freiheit, die durch die Unterwanderung von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft durch Gruppen Organisierter Kriminalität (OK) ausgeht, müssen Maßnahmen gegen Drogenschmuggel insbesondere an Seehäfen verstärkt werden, so auch im Überseehafen in Bremerhaven.

Aktuell erfolgt der Schmuggel aus den Häfen bei knapp 40 Prozent der in EU-Häfen sichergestellten Mengen von Kokain per Rip-On/Rip-Off-Methode. Hierbei werden Drogen oftmals nah an der Tür in Containern versteckt und am Zielhafen wieder entnommen. Entsprechend bedarf es sogenannter Hafeninnentäter:innen, die ihre berufliche Tätigkeit im Bereich der Hafenwirtschaft nutzen, um Kriminelle bei der Kokaineinfuhr zu unterstützen, was sie zu einem entscheidenden Schlüssel für den illegalen Drogenschmuggel über die Häfen macht. Darauf weist auch die Kommunikation über Krypto-Messengerdienste wie Encrochat oder Sky ECC hin, deren Entschlüsselung in Europa zu zahlreichen Festnahmen und Verfahren führte.

In Antwerpen und Rotterdam ging mit der zunehmenden Drogenschwemme eine Ausweitung der (Waffen-)Gewalt und OK im ganzen Land einher, was sich auch in Drohungen und Gewalt gegenüber staatlichen oder politischen Vertreter:innen widerspiegelt.

Gegen derartige Entwicklungen ist ein frühzeitiges Handeln gefragt. Dies ist auch notwendig, weil Belgien und die Niederlande Maßnahmen gegen den Drogenhandel in den letzten Jahren verschärft haben. Da lokal verschärfte Sicherheitsmaßnahmen zu einer zumindest teilweisen Verlagerung der Schmuggelrouten führen, besteht die Befürchtung, dass sich der Handel mit Kokain zunehmend in die deutschen Seehäfen in Hamburg und Bremerhaven verlagern könnte. So konnten in Deutschland im Jahr 2023 rund 43 Tonnen Kokain sichergestellt werden, zum Großteil im Hamburger Hafen, während Rotterdam erste Anzeichen für eine Verringerung des Drogenschmuggels sieht.

Belgien hat bereits Anfang 2023 eine nationale Strategie gegen Drogenkriminalität beschlossen. Diese sieht einen Hafensicherheitskorps zur Überwachung des Hafens sowie die Beschaffung weiterer und besserer Röntgenanlagen für Container auf insgesamt 15 Scanner vor, um Drogen, die in anderen Waren, an Containerwänden oder in zweiten Wänden versteckt sind, aufzuspüren. Weiterhin kann seither das gesamte Personal im Hafen, weit über direkte Hafenarbeiter:innen hinaus, strenger kontrolliert werden, indem nicht nur Strafregister, sondern auch Datenbanken, Kontakte und der finanzielle Status der Beschäftigten überprüft wird. Auch die Niederlande setzt auf modernste Überwachungstechnologien wie hochentwickelte Container-Röntgenanlagen, Drohnen und Kamerasysteme. Container aus Risikoländern werden systematisch in einem separaten Bereich abgeladen, durchgängig überwacht und so schnell wie möglich untersucht. Beide Länder setzen neben diesen verschärften Kontrollen durch weitere zahlreiche Scanner für die Container ebenso wie Deutschland auch auf eine enge internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen die Drogenkriminalität.

Im Wissen, dass mit erhöhten Sicherheitsmaßnahmen und Ermittlungsdruck in einem Hafen innerhalb von Wochen eine Verlagerung der Drogenkartelle in andere Häfen erfolgt und deshalb nur ein gemeinschaftlicher Einsatz gegen die Drogenkartelle hilft, wurde im Januar 2024 zudem eine neue Ports Alliance der EU ins Leben gerufen, an der auch die bremischen Häfen beteiligt sind.

Im Land Bremen befasst sich eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe Häfen, die sich aus Orts-, Landes- und Bundespolizei, Zoll und Hafenwirtschaft zusammensetzt, mit der Hafensicherheit. Neben einem anonymen Hinweisportal und dem Beschluss zur Nutzung des digitalisierten Freistellungsverfahrens gibt es eine gemeinsame Ermittlungsgruppe Rauschgift des Zolls und der Polizei. Jedoch fehlt es an modernen Röntgenanlagen für Container. Auch eine enge Zusammenarbeit aller Häfen ist von besonderer Bedeutung. Insofern ist die internationale Zusammenarbeit sowohl mit den anderen großen Westhäfen als auch mit den südamerikanischen Herkunfts- und Transitländern unbedingt zu intensivieren. Weiterhin muss der Zoll personell so ausgestattet sein, dass er seine Aufgaben im Überseehafen erfüllen kann. Hierzu gehört auch eine gute Ausstattung des Zolls durch Schutzausrüstung für Zollbeamt:innen und weitere moderne Container-Röntgenanlagen. Hiersehen wir den Bund in der Finanzierungsverantwortung. Hier kann auf die Zusagen des ehemaligen Bundesfinanzministers Lindner im Zuge der Strategie zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität von Mai 2023, u. a. mehr Personal für die Zollfahndung und modernere Technik zur Verfügung zu stellen, verwiesen werden. Darauf bezog sich auch ein Schreiben des Bremer Innensenators Mäurer und der Bremer Justizsenatorin Schilling. Auch müssen die Zuverlässigkeitsüberprüfungen der Mitarbeitenden in sensiblen Bereichen im Hafen ausgeweitet und geprüft werden, inwieweit Beschäftigte weiter sensibilisiert und geschult werden können.

Angesichts der wachsenden Bedrohungslage ist es dringend erforderlich, die Strukturen und die personelle Ausstattung der Behörden, die für die Hafensicherheit zuständig sind, auszubauen. Die komplexe Zuständigkeit unterschiedlicher Behörden auf Ebene des Bundes und mehrerer Länder darf keine Schwachstelle darstellen.

Der internationale Einfuhrschmuggel von Drogen in Großmengen muss als Problem der nationalen Sicherheit definiert werden, um der Organisierten Kriminalität eine nationale Antwort zu geben. Hierdurch kann dem Drogenschmuggel durch einheitliche Kontrollen und Aktionen die Existenzgrundlage genommen werden.

Bremen setzt sich insofern intensiv für eine Erweiterung des sogenannten „Three Ports Summit“, der Hafenstädte Hamburg, Rotterdam und Antwerpen hin zu einem „Four Ports Summit“ ein. Bislang lehnt die Hamburger Innenbehörde diesen Vorstoß ab.

Eine Stärkung der Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung führt gleichzeitig auch zu einer höheren Resilienz des Überseehafens als Kritische Infrastruktur von nationaler strategischer Bedeutung. Die Bundesregierung hat im März 2024 die Nationale Hafenstrategie ins Leben gerufen. Folgerichtig muss auch bei der Bekämpfung des internationalen Einfuhrschmuggels mit einer nationalen Struktur begegnet werden. Problematisch ist, wenn zwar das Verbrechen erkannt wurde, die in diesem Zusammenhang stehenden weiteren Folgehandlungen aber nicht mitgedacht und bekämpft werden. Das muss sich dringend ändern. Seit Jahren ist u. a. durch das OK-Lagebild des BKA und die Nationale Risikoanalyse des Bundesfinanzministeriums bekannt, dass die enormen Gewinne aus der Drogenkriminalität zunehmend in Ballungsräumen für Immobilienspekulationen genutzt werden. Diese haben mittlerweile ein solches Ausmaß angenommen, dass es in Großstädten wie insbesondere Berlin zu Verwerfungen auf dem Immobilienmarkt gekommen ist, etwa in Form von galoppierenden Mieten und rasant ansteigenden Geldwäsche-Verdachtsmeldungen durch Berliner Notare.

 

Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,

  1. sich auf Bundesebene in Abstimmung mit den anderen betroffenen Bundesländern dafür einzusetzen, dass
    1. mehr Zollbeamt:innen zur Verfügung gestellt werden, um Kontrollen des Warenverkehrs im Überseehafen Bremerhaven verschärfen zu können und die Organisationsstrukturen der in Bremen und insbesondere in Bremerhaven vorhandenen Zolldienststellen derart angepasst werden, dass sie der Herausforderung gewachsen sind;
    2. Zollbeamt:innen mit einer angemessenen Schutzausrüstung ausgestattet werden;
    3. finanzielle Mittel für die Anschaffung weiterer moderner Container-Röntgenanlagen im Überseehafen Bremerhaven zur Verfügung gestellt werden;
    4. die Bundespolizei – beispielsweise durch sogenannte Hafenstreifen – mehr sichtbare uniformierte Präsenz zeigt;
    5. der internationale Einfuhrschmuggel von Großmengen an Drogen als Problem der nationalen Sicherheit definiert wird;
  2. sich gemeinsam mit den deutschen Küstenländern für eine Ausweitung von Zuverlässigkeitsüberprüfungen für Mitarbeitende in sensiblen Bereichen im Hafen einzusetzen;
  3. Maßnahmen auszuweiten, um die sichergestellten Drogenmengen vor dem unberechtigten Zugriff Dritter noch wirksamer zu schützen. Hierunter fällt u. auch die frühzeitige Vernichtung der Drogen;
  4. zu prüfen, inwiefern bestehende Sicherheitsvorkehrungen wie Zugangskontrollen an den Eingängen, Tore, Sicherheitszäune und Videoüberwachung im Überseehafen verbessert werden müssen und identifizierte Schwachstellen zu beheben;
  5. dass im Verbund der Sicherheitsbehörden der Kontrolldruck durch vermehrte, gezieltere sowie konzertierte Fahndungen, beispielsweise durch sogenannte Fahndungstage, erhöht wird;
  6. die internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen Drogenkriminalität, insbesondere den illegalen Kokainhandel, zu intensivieren, indem der Austausch mit Vertreter:innen von Herkunfts- und Transitländern gesucht wird und dazu sicherzustellen, dass das Land Bremen an internationalen Konferenzen zur Organisierten Kriminalität und Drogenkriminalität teilnimmt und diese gegebenenfalls veranstaltet;
  7. zu prüfen, wie unter Einbindung der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe Häfen ein behördenübergreifendes Lagebild zur Sicherheit des Überseehafens erstellt und aktuell geführt werden kann;
  8. dem Ausschuss für Angelegenheiten der Häfen im Land Bremen und der staatlichen Deputation für Inneres zwölf Monate nach Beschlussfassung zu berichten.

 

Janina Strelow, Nils Bothen, Kevin Lenkeit, Volker Stahmann,
Mustafa Güngör und Fraktion der SPD

Michael Labetzke, Dr. Emanuel Herold, Dr. Henrike Müller
und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Muhlis Kocaağa, Nelson Janßen, Sofia Leonidakis und Fraktion Die Linke