Unsere politische Arbeit für
Bremen & Bremerhaven

Große Anfrage der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Die Linke

 

Alkoholkonsum ist grundsätzlich gesundheitsschädlich. Dennoch gehört Alkohol in weiten Teilen unserer Gesellschaft zum geselligen Miteinander dazu. Riskanter Alkoholkonsum, was nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Konsumieren von Alkohol mit Gefährdung der eigenen Gesundheit oder der Gesundheit anderer bezeichnet, ist allerdings verbreitet und hat vielfältige Formen. Manche Menschen trinken zu oft, andere selten, aber dann deutlich zu viel. Die Gruppe mit riskantem Alkoholkonsum ist statistisch schwer zu erfassen und nicht klar abgegrenzt von Alkoholabhängigkeit. Abhängiges Konsumieren hat laut WHO verschiedene Ausprägungen, wie starkes Verlangen nach Alkohol, verminderte Konsumkontrolle, körperliche Entzugssyndrome, eine nachweislich hohe Toleranz von Alkohol, oder Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Alkoholkonsums.

Der Alkoholkonsum in Deutschland nimmt zwar seit etwa 40 Jahren kontinuierlich ab, dennoch bleibt Deutschland ein Hochkonsumland. Mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Konsum von rund zehn Litern Reinalkohol pro Jahr liegt Deutschland auf Platz 9 der 27 EU-Staaten. Dieses hohe Konsumniveau bringt gravierende gesundheitliche Folgen mit sich: Regelmäßiger Alkoholkonsum erhöht das Risiko für schwerwiegende Erkrankungen wie Leber- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankungen und Schädigungen des Gehirns. Laut Landesgesundheitsbericht Bremen (2024) waren psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol 2021 bei Männern die häufigste Hauptdiagnose bei Krankenhausaufnahmen. Darüber hinaus tritt eine Alkoholabhängigkeit häufig in Kombination mit weiteren Abhängigkeitserkrankungen auf, da die Ursachen für diese Erkrankungen oftmals in den sozialen Lebensverhältnissen liegen. Die Abhängigkeitserkrankungen können wiederum die Lebensverhältnisse weiter verschlechtern und nicht selten in Armut oder Obdachlosigkeit münden.

Eine Analyse der BARMER zeigt, dass im Land Bremen ein erheblich höherer Anteil der Bevölkerung von Alkoholabhängigkeit betroffen ist als im bundesweiten Durchschnitt. 2022 waren 2,28 Prozent der Bevölkerung des Landes Bremen aufgrund von Alkoholabhängigkeit in ambulanter oder stationärer Behandlung – über ein Drittel mehr als im Bundesdurchschnitt. Die Daten der NAKO-Gesundheitsstudie (Nationale Kohorte), die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie vom Bund, den Ländern und der Helmholtz-Gemeinschaft gefördert wird, zeigen, dass 34,1 Prozent der Teilnehmenden im Land Bremen einen riskanten Alkoholkonsum aufweisen. Die größte Risikogruppe dabei sind Männer, sowie generell jüngere Menschen.

Es ist erwiesen, dass gezielte Maßnahmen zur Prävention, insbesondere in Schulen und Jugendeinrichtungen, dazu beitragen, dass junge Menschen vorsichtiger Alkohol konsumieren. Programme zur Sensibilisierung von Lehrkräften und Eltern, Einschränkungen von Alkoholwerbung oder strengere Abgabevorschriften sind ebenfalls Versuche, Alkoholkonsum unter Jugendlichen zu reduzieren.

Im Land Bremen gibt es bereits schulische Präventionsmaßnahmen, etwa durch das Landesinstitut für Schule (LIS), das Projekte zur Suchtprävention und zur psychischen Gesundheit unterstützt. Programme wie „Verrückt? Na und!“ (LIS) oder der Einsatz von „Mental Health Coaches“ im Rahmen eines Modellprojekts des Bundesfamilienministeriums fördern das Bewusstsein für seelische Gesundheit in Bremen und helfen, riskantem Verhalten vorzubeugen.

Neben der Intensivierung von Präventionsprogrammen stellt sich die Frage, was sowohl im Land Bremen als auch bundesweit getan werden kann, um den Alkoholkonsum insgesamt zu reduzieren und vor allem Rauschtrinken (Trinken bis zum Vollrausch) und Alkoholabhängigkeit zu bekämpfen. Der Beauftragte für Sucht- und Drogenfragen des Bundes, Burkhard Blienert, wirbt inzwischen dafür, Alkohol erst ab 18 Jahren zugänglich zu machen, denn das Zellgift ist besonders für Jugendliche in der Entwicklungsphase schädlich. Insbesondere der Schutz von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sollte dabei im Fokus stehen, um langfristig die gesundheitlichen und sozialen Folgen des Alkoholkonsums zu reduzieren.

Wir fragen den Senat:

  1. Welche aktuellen Daten liegen dem Senat über die Anzahl alkoholabhängiger Menschen im Land Bremen vor? Inwiefern zeigen sich Auffälligkeiten im Vergleich zum Bundesdurchschnitt sowie in Bezug auf Geschlecht, Alter und soziale Lage? (Informationen wenn möglich für Bremen und Bremerhaven differenzieren)
  2. Welche konkreten Maßnahmen ergreifen das Land Bremen und die Städte Bremen und Bremerhaven zur Bekämpfung von Alkoholabhängigkeit und welche Angebote stehen Betroffenen zur Verfügung?
    1. Wie bewertet der Senat die derzeit bestehenden Maßnahmen und Angebote bezüglich ihrer Wirksamkeit?
  1. Beteiligt sich das Land Bremen inzwischen am Bundesprogramm HaLT – Hart am LimiT und an welchen anderen Bundesprogrammen oder Kampagnen im Bereich Prävention und Sensibilisierung für Alkoholkonsum ist das Land Bremen beteiligt?
  2. Wie hoch ist die Auslastung der Präventions- und Hilfsangebote im Land Bremen und wie bewertet der Senat vor dem Hintergrund den Bedarf an weiteren Präventions- oder Hilfsangeboten?
  3. Welche spezifischen Präventionsmaßnahmen werden im Land Bremen zum Schutz Minderjähriger, insbesondere der Altersgruppe der 16 bis 18-Jährigen, umgesetzt und welche Rolle spielt in den Maßnahmen auch die Verbindung von Armut und Alkoholabhängigkeit? Gibt es Unterschiede zwischen Bremen und Bremerhaven?
  4. Wie bewertet der Senat die derzeit im Land Bremen angewendeten Maßnahmen, die auf Kinder und Jugendliche abzielen und sieht der Senat hinsichtlich der Präventionsarbeit bei Jugendlichen darüber hinaus Handlungsbedarf?
  5. Inwiefern werden dabei Konzepte aus anderen Bundesländern, die sich speziell an Kinder und Jugendliche richten, in Betracht gezogen, wie etwa das bayerische Projekt „Spaß ohne Punkt und Koma“?
  6. Wie viele Fälle von „Rauschtrinken“ (Trinken bis zum Vollrausch) sind den Kliniken und Rettungsdiensten im Land Bremen bekannt und wie verteilen sich diese Fälle auf Altersgruppen und Geschlechter? Welche statistischen Auffälligkeiten zeigen sich? (bitte für die letzten 5 Jahre aufführen und für Bremerhaven und Bremen differenzieren)
  7. Bei wie vielen Verkehrsunfällen im Land Bremen in den vergangenen 5 Jahren war der/die Unfallverursacher:in unter Alkoholeinfluss? (Bitte für Bremen und Bremerhaven aufführen und nach Geschlecht differenzieren)
  8. Wie viele Tatverdächtige haben im Land Bremen in den letzten 5 Jahren ihre Tat unter Alkoholeinfluss begangen? (Bitte für Bremen und Bremerhaven aufführen und nach Straftatbeständen und Geschlecht differenzieren)
  9. Wie bewertet der Senat den Vorschlag die Promillegrenze für das Führen von Kraftfahrzeugen von 0,5 auf 0,0 Promille abzusenken?
  10. Wie bewertet der Senat die Auswirkungen des Mischkonsums von Cannabis und Alkohol auf die Verkehrssicherheit?
  11. Was ist dem Senat über den Mischkonsum von Alkohol und anderen psychotropen Substanzen, z. B. Kokain, bekannt?
  12. Wie bewertet der Senat verschiedene Möglichkeiten der stärkeren Einschränkung von Alkoholwerbung, insbesondere
    1. die Einführung eines bundesweiten Alkoholwerbeverbots,
    2. in Bereichen, die von Minderjährigen stark frequentiert werden, wie Schulen, Sportstätten oder öffentlichen Orten,
    3. über die Ausgestaltung des neuen Konzessionsvertrags für Werberechte auf öffentlichem Grund,
    4. weitere Möglichkeiten, Werbung für Alkohol im Land Bremen ohne bundesweite Regelung einzuschränken?
  1. Wie bewertet der Senat die Ausschöpfung bestehender rechtlicher Handlungsspielräume zur Beschränkung des Alkoholverkaufs, beispielsweise auf Grundlage des Bremischen Ladenschlussgesetzes?
  2. Wie bewertet der Senat die Einführung eines Verbots, direkt an der Supermarktkasse Alkohol zu präsentieren und zum Verkauf anzubieten?
  3. Inwiefern sieht der Senat in der Kennzeichnung von Lebensmitteln, in denen Alkohol vorhanden ist, noch Verbesserungsbedarf?
  4. Wie bewertet der Senat die Effekte einer Erhöhung von Steuern auf Alkohol?
  5. Wie bewertet der Senat den Vorschlag des Bundesbeauftragten für Sucht- und Drogenfragen die Abgabe von alkoholhaltigen Getränken, einschließlich Bier und weinhaltigen Getränken, generell auf Personen ab 18 Jahren zu beschränken?
  6. Welche Kooperationen bestehen mit der DEHOGA und der Bremer Gastro Gemeinschaft (BGG), um für verantwortungsvollen Alkoholkonsum und das Vermeiden von Alkohol am Steuer zu sensibilisieren?
  7. Welche langfristigen Ziele verfolgt das Land Bremen im Bereich Prävention und Bekämpfung von Alkoholabhängigkeit?

 

Ute Reimers-Bruns, Selin Arpaz, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD

Ralph Saxe, Dr. Henrike Müller und Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Nelson Janßen, Sofia Leonidakis und Fraktion Die Linke