Die Ergebnisse der Konferenz der Ministerpräsident:innen mit der Bundesregierung waren heute das Thema einer Aktuellen Stunde in der Bürgerschaft. Der Vorsitzende der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Mustafa Güngör, nannte die Ergebnisse des Gipfels historisch und wies Kritik der CDU entschieden zurück. Dabei hob er die Fortsetzung des Deutschlandtickets ebenso hervor wie den verabredeten Pakt für mehr Geschwindigkeit. Zur Migrationspolitik erklärte Güngör: „Wir brauchen ein warmes Herz. Aber gleichzeitig gilt: Wir brauchen auch einen kühlen Kopf.“
„Dass Sie hier so eine Rede hinlegen, hat mich nicht überrascht, aber enttäuscht“, sagte Güngör zu Beginn seiner Rede in Richtung des CDU-Fraktionsvorsitzenden Frank Imhoff. Er nannte Imhoffs Beitrag „einen wirren thematischen Bauchladen“, einen polemischen Rundumschlag, der sich gleichzeitig um die zweifelhafte Rolle herumdrücke, die die CDU in Bremen in den vergangenen Wochen gespielt habe. Güngör: „Sie haben hier eine Rede gehalten, die eigentlich eher auf einen CDU-Parteitag gehört, aber unser Land weder inhaltlich noch argumentativ weiterbringt.“
In der Tat seien die Ergebnisse des Gipfels in der vergangenen Woche historisch, betonte der Sozialdemokrat. „Zunächst das wichtige Signal: Das Deutschlandticket ist gekommen, um zu bleiben. Ich darf daran erinnern, dass es auch unsere Fraktion war, die eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket eingefordert hat. Und, das kann ich versprechen: Wir als Bremer SPD werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass das Deutschlandticket auch langfristig nicht an Attraktivität verliert. Im Gegenteil: Wir wollen es ergänzen durch ein Bremer Sozialticket, wie wir dies schon vor der Bürgerschaftswahl angekündigt hatten.“
„Ein weiterer historischer Schritt ist sicherlich die verabredete Geschwindigkeit zwischen Bund und Ländern, der verabredete Pakt für mehr Geschwindigkeit“, so Güngör weiter. „Wir alle wissen, dass ein solcher Pakt nach 16 Jahren Angela Merkel mehr als überfällig ist. Denn diese 16 Jahre CDU-Regierung haben für uns in Deutschland vor allen Dingen eines bedeutet: Stillstand – mit all den Folgen, die wir jetzt zu bewältigen haben: in der Infrastruktur, in der Gesellschaft, in Administration und Verwaltung.“
Die wichtigsten Beschlüsse habe es in der vergangenen Woche aber zur Zukunft der Flüchtlingspolitik gegeben. „Und das ist momentan leider auch ein Lieblingsthema der CDU im Bund, aber auch im Land; weil man da vielleicht auch an unterschiedlicher Stelle mit Bündnis Deutschland anbandeln kann“, kritisierte Güngör – und blickte zurück auf die Geschichte von Bremen als Bundesland. Über sieben Millionen Menschen seien von Bremerhaven aus nach Amerika ausgewandert, und nur die wenigsten von ihnen hätten Europa verlassen, weil sie verfolgt worden seien. Kaum jemand habe zudem die Heimat freiwillig verlassen, sondern weil die wirtschaftliche Situation die Menschen dazu zwang. „Und heute? Wir leben in Zentral-Europa eigentlich immer noch quasi auf einer Insel der Glückseeligen: Es gibt hier ein ausgeprägtes Sozialsystem. Die Grundbedürfnisse eines jeden sind gedeckt. Die meisten haben eine gute Perspektive – oder zumindest die Chance auf eine Perspektive, etwas aus ihrem Leben machen zu können. Aber in vielen Teilen der Welt sieht es ganz anders aus: Nicht nur Krieg, Terror, Hass und Verfolgung bringen die Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. Auch Hunger, Perspektivlosigkeit und die Folgen des Klimawandels, verbunden mit wirtschaftlicher Not treiben die Menschen zu uns ins ‚reiche Europa‘. Und der Weg nach Europa, den diese Menschen heute auf sich nehmen, ist weitaus gefährlicher – ja weitaus tödlicher – als der, den die europäischen Auswanderer damals über Bremerhaven auf sich nehmen mussten. Täglich ertrinken Menschen elendig im Mittelmeer. Sie werden auf dem Weg nach Europa verschleppt, versklavt, vergewaltigt oder zum Verdursten in die Wüste geschickt. Hunderte oder Tausende im Jahr. Und wer für diese Menschen kein Mitgefühl empfindet, der ist entweder ein Soziopath – oder ein Rassist!“
Mitgefühl, Hilfsbereitschaft und Verständnis für diese schwierige Lage seien eine der Grundlagen der Entscheidungsfindung. Nötig sei eine Politik mit warmem Herz aber auch mit kühlem Kopf. Güngör: „Klar ist: Auch die Kapazitäten bei uns sind nun einmal nicht unendlich. Und daraus folgt eine bittere Erkenntnis: Bei allem Verständnis für die prekäre ökonomische Lage des Einzelnen ist die rein wirtschaftliche Situation kein Fluchtgrund, den wir im Rahmen unseres Asyl- und Flüchtlingsrechts anerkennen können. Und das heißt in der Konsequenz, mit kühlem Kopf: Es kann nicht jeder kommen, der kommen möchte. Und es kann auch nicht jeder bleiben, der bleiben möchte. Doch unser aktuelles Aufnahmesystem macht uns die Rückführung jener, die nicht bleiben dürfen, aber bleiben wollen nahezu unmöglich. Deshalb müssen wir etwas tun.“
Die Beschlüsse der Bund-Länder-Runde gingen hier in eine richtige Richtung. Sie sähen vor, dass Rückführungen beschleunigt, und Bemühungen für Migrations- und Rückführungsabkommen weiter intensiviert werden sollen. Einige Länder sollten zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt und es soll geprüft werden, ob Asylverfahren in Drittstaaten durchgeführt werden könnten. Schließlich werde die Wartezeit auf Asylleistungen auf Niveau der Sozialhilfe auf 36 Monate verdoppelt. Er sei dankbar, dass der Senat in einer Protokollerklärung klargestellt habe, dass dies noch einmal diskutiert werden müsse, sofern Kinder betroffen seien, betonte Güngör, denn auch er finde dies bedenklich.
„Was in der aktuellen Diskussion aus meiner Sicht aber zu kurz kommt ist das ‚warme Herz‘“, sagte Güngör. „Und deshalb möchte ich noch einmal betonen, dass die Beschlüsse eben keine reine Aneinanderreihung von Abschreckung, Restriktion oder Schikane sind. Es geht insbesondere darum, die Menschen, die eine Bleibeperspektive haben, besser zu unterstützen: Durch schnellere Asylverfahren und optimierte Prozesse in den Ausländerbehörden, um die teils sehr emotional belastenden Wartezeiten zu verkürzen. Wir brauchen mehr Bundesmittel für Erstorientierungs-, Sprach- und Integrationskurse und mehr Unterstützung in den Jobcentern für Menschen mit frisch abgeschlossenem Integrationskurs. Das sind alles richtige Maßnahmen. Und vor allem: Die Senkung von Hürden für die Arbeitsaufnahme von Geflüchteten mit gesicherter Bleibeperspektive – und das ist für mich ein zentraler Punkt: Arbeiten zu können und arbeiten zu dürfen, ist die beste Integration! Hinzu kommt die Bezahlkarte. Zumindest der Ansatz unseres Senats ist, dass wir eine diskriminierungsfreie Bezahlkarte, die den Menschen im Asylverfahren nicht weniger, sondern sogar mehr gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen soll, brauchen.“
Diese Maßnahmen könnten aber nur ein Puzzleteil einer größeren, langfristigen Strategie sein. „Was wir vor allem brauchen, das sind: mehr Entwicklungszusammenarbeit als Hilfe zur Selbsthilfe, mehr Unterstützung bei der Bewältigung von Klimafolgen, faire Handelspartnerschaften auf Augenhöhe und natürlich auch mehr Möglichkeiten für eine legale Zuwanderung. Ich glaube, dass das Fachkräfteeinwanderungsgesetz dabei ein sehr wichtiger Baustein ist“, sagte Güngör.
„Ich glaube, dass die Bundesregierung mit der Ministerpräsidentenkonferenz hier die richtigen Weichen gestellt hat. Das sieht man auch sehr schön an den Reaktionen von rechts und links: Während die CDU – auch hier in Bremen – jammert, dass das alles vonseiten der Ampel-Regierung nicht weit genug geht, wird unser sozialdemokratischer Bundeskanzler aus der anderen Ecke zum Rassisten erklärt. Dazu möchte ich einmal klar und deutlich feststellen: Wer unserem sozialdemokratischen Kanzler Rassismus unterstellt, der hat wirklich völlig den politischen Kompass verloren!“, fasste Güngör abschließend zusammen und sagte in Richtung CDU: „Bundeskanzler Olaf Scholz hat Ihrer Union um der Sache, um unseres Landes Willen einen Deutschlandpakt angeboten. Bei Ihnen ist dieses Angebot im Bermudadreieck zwischen Friedrich Merz, Hendrik Wüst und Markus Söder aber weitestgehend versenkt worden. Und deshalb sage ich es erneut: Mit Ihrer Truppe ist kein Staat zu machen. Die SPD hingegen führt unsere Gemeinschaft stark durch den Wandel. Das gilt im Bund – und das gilt hier bei uns im Land Bremen!“
Die SPD-Fraktion will Bremen und Bremerhaven stark durch den Wandel bringen – und die Gewinnung von Fachkräften spielt dabei eine zentrale Rolle. Auf Initiative der Sozialdemokraten hat die Bürgerschaft daher heute einen Antrag beschlossen, der eine Erhöhung der BAföG-Sätze und weitere Änderungen bei der finanziellen Förderung Studierender vorsieht.
„‚Bildung ist mehr als eine Klassenfrage; sie ist eine Frage der Zukunft des Landes.‘ Diese Worte stammen von Willy Brandt, doch sie sind heute genauso relevant wie damals“, eröffnete die wissenschaftspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Janina Strelow, ihre Rede. „Sie unterstreichen die Wichtigkeit von Bildungschancen, die wir unabhängig von sozialer Herkunft oder finanzieller Situation unbedingt brauchen! Das BAföG ist ein entscheidendes Instrument, um Chancengleichheit sicherzustellen.“
Seit den Zeiten von Willy Brandt, zu denen 50 Prozent der Studierenden BAföG bezogen hätten, habe sich aber vieles verändert, erklärte die Sozialdemokratin. „Die Lebenshaltungskosten sind in den vergangenen Monaten enorm gestiegen. Das betrifft im besonderen Maße auch die Studierenden in Bremerhaven und Bremen. Die Mieten steigen, die Nebenkosten steigen, ebenso die Preise für Lebensmittel. Fakt ist: Das belastet die Studierenden zusätzlich zum eigentlichen Studium. Fakt ist aber auch: Immer mehr junge Menschen können sich nicht voll auf ihr Studium konzentrieren, weil sie nebenbei arbeiten gehen müssen. Schätzungsweise über 30 Prozent der Studierenden leben in Armut. Mit nur elf Prozent beziehen historisch wenig Menschen BAföG. Und für die wenigen verbleibenden Beziehenden von Bafög bleibt die Schwierigkeit, dass sich das BAföG in den letzten Jahren nicht ausreichend erhöht hat.“
Es sei daher dringend nötig, wieder zum Geist von Willy Brandt zurückzukehren und Bildung zu einer Frage der Zukunft des Landes zu machen, betonte Strelow. Im heute verabschiedeten Antrag sei dazu ein Bündel von Maßnahmen vorgesehen. So solle der Bedarfssatz zuzüglich der Wohnkostenpauschale des BAföG mindestens auf das Level des Unterhaltssatzes nach Düsseldorfer Tabelle erhöht wird, damit die Studierenden die finanzielle Unterstützung erhielten, die ihren tatsächlichen Bedürfnissen entspreche. Das
BAföG solle zudem zu einem Instrument der Studienfinanzierung in Form eines Vollzuschusses weiterentwickelt und unabhängig vom Einkommen der Eltern gewährt werden. Schließlich müsse ein entsprechender Anspruch auf BAföG für Teilzeitstudierende geschaffen und die Förderhöchstdauer verlängert und somit an die Realitäten der Studierenden angepasst werden.
Strelow abschließend: „Die Erhöhung des BAföG ist nicht nur eine finanzielle Angelegenheit. Sie ist so viel mehr! Sie ist ein Ausdruck von Chancengleichheit, sozialer Bildungspolitik, aber vor allem ein Versprechen an unsere Jugend auf eine selbstbestimmte und erfolgreiche Zukunft.“
Der Antrag findet sich hier.
Die Bürgerschaft hat sich heute in einer Aktuellen Stunde mit dem Anstieg antisemitischer und antimuslimischer Straftaten befasst. Und der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Kevin Lenkeit, stellte unmissverständlich fest: „Es ist unsere Aufgabe als gewählte Volksvertreter:innen die Speerspitze derer zu sein, die laut und entschieden ‚Stopp‘ sagen, wenn es heißt ‚Aber Israel…‘ oder verallgemeinert ‚Die Muslime‘. Egal ob im Familien- oder Bekanntenkreis, beim Stammtisch oder auf dem Sportplatz, beim Grillen oder auch am Infostand – ‚Nie wieder‘ ist keine hohle Phrase, ‚Nie wieder‘ ist ein Versprechen, welches es ohne Wenn und Aber einzuhalten gilt!
„In unserer Gesellschaft gerät zunehmend etwas aus dem Lot. Seit einigen Jahren manövrieren wir zwischen den stärksten Auswirkungen der multiplen Krisen umher. Zuerst die Corona-Pandemie, dann der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die daraus resultierende Energiekrise mit ihren Auswirkungen in Form von Inflation und Teuerungen und zuletzt der barbarische Terrorangriff der Hamas auf Israel, welcher die Situation in der Region wahrscheinlich auf Jahre prägen wird“, sagte Lenkeit zu Beginn seiner Rede und räumte ein, dass das Thema der Aktuellen Stunde einen Zwiespalt bei ihm ausgelöst habe. „Einerseits gibt es zweifelsfrei antimuslimische Straftaten in Bremen und Bremerhaven, welche ohne Wenn und Aber zu verurteilen sind. Die Zahlen für das Jahr 2023 sind noch nicht abschließend erhoben, wir werden einen Zuwachs sowohl bei den antimuslimischen Straftaten, aber vor allem bei den antisemitischen Straftaten erleben.“
„Ich möchte herausstellen, wie wenig konfrontativ, ja sogar kooperativ die Situation zwischen den Glaubensgemeinschaften hier bei uns in Bremen ist. Es gibt einen konstruktiven Austausch zwischen christlichen, jüdischen und muslimischen Gemeinden, das ist ein gutes Zeichen, davon wünsche ich mir mehr in Deutschland“, so der Sozialdemokrat weiter. „Denn wir müssen an dieser Stelle auch ehrlich sein: Die Masse der antiisraelischen Proteste in unserem Land rekrutiert sich aus den muslimischen Communities. Wie gesagt, bei uns in Bremen ist die Situation eine andere, aber wir haben die Bilder aus Berlin, Essen und anderen Städten im Kopf. Die Mehrheit der Muslime in unserem Land unterstützt diese mitunter gewaltsamen Proteste nicht. Wir dürfen sie nicht alle in einen Topf werfen. Die Mehrheit ist dagegen, aber die Mehrheit muss auch lauter werden. Mitunter gewaltsame Proteste gegen die „israelische Aggression“ im Gaza-Streifen, das öffentliche Unterstützen der Terrorangriffe und die Freude über den gelungenen Coup der Hamas – die Szenen auf unseren Straßen widern an – und sie gehören polizeilich abgestellt und konsequent verfolgt.“
Eine gesellschaftliche Konsequenz müssten Investitionen in die politische Bildungsarbeit sein, forderte Lenkeit. „Wir müssen die politische Aufklärung in Schulen tragen, die jungen Menschen aufklären, was unser gesellschaftlicher Grundkonsens ist, wie unser politisches System zustande kommt und deutlich aufzeigen, wieso die Sicherheit Israels für uns Deutsche nicht verhandelbar ist. Und das gilt für alle Menschen, die in unserem Land leben und es gilt natürlich auch für ältere Menschen in unserer Gesellschaft – in deren politische Bildung gehört genauso investiert wie in die der Jugend.“
Er sei schockiert, wie schnell laute deutsche Teile der Gesellschaft in die Täter-Opfer-Umkehr eingestiegen seien, betonte Lenkeit. Angesichts der Berichte der terrorristischen Handlungen der Hamas finde sich dieser Tage überall mindestens eine Stimme, die die Taten mit der Einleitung „Aber Israel…“ relativiere. Lenkeit: „Machen wir uns nichts vor: Israel steht hier nicht für ein Land, Israel steht hier stellvertretend für alle Jüdinnen und Juden. Jüdisches Leben war auch nach 1945 niemals sicher, auch nicht in Deutschland. Es gab immer ein gesellschaftliches Fremdeln mit dem Staat Israel und seinen Bewohner:innen. Angriffe auf jüdische Friedhöfe, Morde an jüdischen Menschen und Anschläge auf jüdische Gotteshäuser sind Teil der deutschen Nachkriegsgeschichte. Das in dem Titel der Aktuellen Stunde beschriebene Grundrauschen, es ist seit Jahrzehnten hörbar – und zuletzt war es in Halle an der Saale eine stabile Tür, welche einen Massenmord an Jüdinnen und Juden verhinderte. Judenhass made in Germany: Das ist nicht nur ein Grundrauschen, das ist das Geräusch einer knallenden Pistole.“
Abschließend hob Lenkeit noch zwei Punkte hervor, die ihm persönlich besonders wichtig waren. „Zum einen: Israel ist kein Apartheidsstaat. Ich habe in Südafrika gelebt und studiert, ich habe die Geschichte der Apartheid, zwei Dekaden nach ihrem offiziellen Ende noch erlebt und gespürt – wer behauptet, Israel sei ein Apartheidsstaat der negiert das Leben von fast zwei Millionen arabischen Israelis mit vollen Grundrechten, die in Israel leben. Und zum anderen: Israel begeht keinen Genozid im Gazastreifen. Allein der Vorwurf sollte sich von selbst verbieten. Wir dulden keine Verharmlosung oder Relativierung des industriellen Massenmordes Nazideutschlands an mehr als sechs Millionen europäischen Juden bis 1945. Die Schuld unserer Vorfahren ist ein Fakt“, sagte Lenkeit und appellierte: „Lassen Sie uns, wann immer möglich, egal ob vor dem Rathaus oder der Bremische Bürgerschaft, Flagge zeigen, Flagge gegen Hass, Gewalt, Verschwörungsmythen und Fehlinformationen in unserer Gesellschaft. Mein letzter Austausch mit der jüdischen Gemeinde war aufgrund der angedachten Videoüberwachung der Synagoge, mein letzter Termin mit Vertreter:innen der muslimischen Gemeinde war aufgrund eines eingeschlagenen Fensters in einem Kulturverein – das sind keine positiven Gründe für Besuche, dass sollte sich, dass muss sich ändern!“
Die Bürgerschaft setzt ein Signal gegen Gewalt an Frauen. Auf Initiative der SPD-Fraktion hat das Parlament heute einen gemeinsamen Antrag der rot-grün-roten Koalition mit CDU und FDP beschlossen, der auch in dieser Legislaturperiode am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November eine Beflaggung am Haus der Bürgerschaft vorsieht.
„In Deutschland werden in jeder Stunde mehr als 14 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt, beinahe jeden Tag versucht ein Mann, seine Partnerin oder Ex-Partnerin zu töten und jeden dritten Tag führt dieser Versuch zum bitteren Ende des Lebens einer Frau“, betonte die gleichstellungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Selin Arpaz, zu Beginn ihrer Rede und führte aus: „Wenn in den Medien darüber berichtet wird, so lesen wir in der Zeitung oder sehen in den Nachrichten verharmlosende Berichterstattungen über Beziehungskrisen, Liebesdramen oder Trennungs-Tragödien – was dem Ganzen nicht einmal im Ansatz gerecht wird und aus Schreckens-Taten schicksalhafte Einzelfälle werden lässt. Denn dabei handelt es sich um nichts anderes als Mord, besser gesagt um Femizide.“
„Ein Femizid, so lautet die extremste Form von Gewalt an Frauen“, sagte die Sozialdemokratin. „Dieses Wort beschreibt ein Tötungsdelikt, einen Mord, Totschlag oder eine Körperverletzung mit Todesfolge an einer Frau aufgrund ihres Geschlechts und/oder eines tiefliegenden Frauenhasses. In Deutschland sind die Opfer von Gewalt in Partnerschaften zu 80 Prozent Frauen und die Täter hingegen zu 78 Prozent Männer. Wenn wir über Gewalt an Frauen und Mädchen sprechen und es ernst meinen, dann muss uns allen hier bewusst sein, dass es sich dabei um ein strukturelles Problem handelt. Denn viele verkennen den strukturellen Charakter geschlechtsspezifischer Gewalt und die Grausamkeiten, die Frauen, Mädchen, aber auch Menschen, die trans, intergeschlechtlich und nichtbinär sind, beinahe täglich erleben.“
„Ich hoffe sehr, dass ich für uns alle hier sprechen kann, wenn ich sage, dass für uns jede Frau und jedes Mädchen, die Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt werden, eine zu viel ist und wir dies nicht einfach so hinnehmen können und niemals werden“, so Arpaz weiter. „Deswegen: Lassen Sie uns gemeinsam ein Zeichen setzen: Am 25. November ist Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen, und auch in dieser Legislaturperiode wollen wir Flagge hissen und Bremen zeigen, dass wir uns für die Rechte von Frauen und Mädchen stark machen. Doch so schön es wäre, wenn mit dem Hissen einer Fahne und dem politischen Protest das Leid vieler Frauen und Mädchen beseitigt werden würde – es bedarf unser aller politischen Bemühungen um den Schutz jener zu gewährleisten. Nicht umsonst haben wir die Istanbul-Konvention und unseren Landesaktionsplan und bekennen uns zu den Zielen, die sie benennen.“
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