ParlamentsTicker

Aus dem Landtag | 14. Februar 2024

Themen

DebatteKritik an Blockaden während Bauernprotesten
GesundheitPsychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen

Kritik an Blockaden in bremerhaven

Die Ereignisse rund um die Bauernproteste in Bremerhaven in der vergangenen Woche waren heute das Thema einer Aktuellen Stunde in der Bürgerschaft. Dort war es zu einer Blockade der Häfen sowie des Druckhauses der Nordsee-Zeitung gekommen. Kevin Lenkeit und Nils Bothen, die Sprecher für Inneres und Häfen in der SPD-Fraktion, betonten in der Debatte, die Versammlungsfreiheit sei ein hohes, schützenswertes Gut. Zugleich kritisierten sie die Ereignisse scharf. Lenkeit: „Hier wurden rote Linien überschritten!“

„Das Grundrecht auf Versammlung ist ein hohes Gut in unserer Demokratie. Deutschland ist heute eben jenes Deutschland, welches wir schätzen, eben weil dieses Grundrecht im Laufe der Jahrzehnte dafür Sorge getragen hat, dass es sich verändert“, betonte Lenkeit zu Beginn seiner Rede. „Leider erleben wir seit nun einigen Wochen Proteste von Landwirten gegen die Streichung von Subventionen, welche zunehmend nicht mehr in der langen Tradition der dieses Land voranbringenden Demonstrationen stehen.“

Nils Bothen, der selbst im Hafen arbeitet, betonte ebenfalls die Bedeutung und den Wert von Demonstrationen – und wusste aus der vergangenen Woche zu berichten, dass die Aktionen deutlich zu weit gegangen und bei seinen Kollegen auf kein Verständnis gestoßen seien. Bauern hätten willkürlich Fahrzeuge auf das Hafengelände gelassen oder eben nicht. Kolleg:innen seien verunsichert gewesen und hätten einen Tag frei genommen. Bothen: „Die Kolleg:innen mussten die Straßensperren und die Bauernproteste mit ihrer Freizeit bezahlen. Das finde ich verwerflich!“ Zudem hätten Häfen, Hafenbetriebe und Werften einen enormen wirtschaftlichen Schaden davongetragen. „Die Bauern schaden damit den Betrieben und unseren Kolleg:innen. Und das stößt bei ihnen auf wenig Verständnis“, so Bothen.

„Von Anfang an gehörten Drohungen und der erkennbare Mangel an jedweder Kompromissbereitschaft zum Kern der Bauernproteste – eine Alles-Oder-Nichts-Mentalität“, führte Lenkeit auch noch einmal grundsätzlicher aus. „Von Beginn an hatten die sogenannten Bauernproteste in unserem Land einen Beigeschmack. Und damit meine ich nicht den auch vom Oppositionsführer in diesem Haus geteilten Aufruf zu einem Generalstreik, sondern die Tatsache, dass es aus den Protesten heraus immer wieder zu Aktionen kam, welche wir ablehnen müssen. Es wurden Misthaufen in der Öffentlichkeit platziert und im Anschluss – wahrscheinlich von Nachahmern – fanden sich unter anderem Kotbriefe in den Briefkästen von Abgeordneten. Galgen mit Lichtsignalanlagen waren zu sehen. Ja, das waren sicherlich Ausnahmen, aber Ausnahmen, die überall in der Republik bei Protesten zu sehen waren. Und wer anderen den Galgentod wünscht, bewegt sich nicht unter dem Schutz des Versammlungsrechtes. Wer anderen den Galgentod wünscht, ist kein Teil des demokratischen Diskurses. Und wir erleben ja, was die langen Diskursverschiebungen nach Rechts bereits bewirkt haben. Daher: Wehret den Anfängen! Wir wollen keine Galgen. Wir wollen keine Flaggen der Landvolkbewegung. Und wir wollen keine Misthaufen auf unseren Straßen!“

Der Grund für die Aktuelle Stunde sei aber noch einmal weitaus schlimmer, erklärte der Sozialdemokrat und berichtete: „Am Rande einer Hafenblockade in der vergangenen Woche wurden Polizist:innen harsch angegangen. Und die angespannte, aggressive Stimmung mündete dann in dem Versuch, Einsatzkräfte mit einem Fahrzeug anzufahren. Für uns ist klar: Wer unsere Polizist:innen angreift, greift uns alle an. Das werden wir nicht akzeptieren und deswegen thematisieren wir das heute in der Aktuellen Stunde.“

Dass zudem noch das Druckhaus der Nordsee-Zeitung blockiert worden sei, nannte Lenkeit einen „Angriff auf die freie Presse“. „Spätestens, wenn ein
Grundrecht missbraucht wird, um ein anderes Grundrecht anzugreifen, nämlich die Pressefreiheit, spätestens dann ist es an uns Demokrat:innen zu sagen: Stopp – bis hierhin und nicht weiter! Hier wurden rote Linien überschritten! Angriffe auf Polizei und Presse sind keine Bagatelle, sondern Straftaten und so werden wir diese auch behandeln“, stellte er klar und betonte, dass es sich dabei nicht um Bremische Landwirte gehandelt habe, mit denen man in einem intensiven Austausch stehe und die sich von den Aktionen distanziert hätten. „Deswegen in aller Deutlichkeit: Wenn Landwirte aus Niedersachsen kritische Hafeninfrastruktur blockieren oder die Freie Presse erpressen wollen, dann bitte, machen Sie das doch in Niedersachsen und nicht bei uns in Bremen oder Bremerhaven. Sie schaden dem Anliegen ihrer Kolleg:innen in Bremen und Bremerhaven.“

Psychische Situation von
Kindern und Jugendlichen

Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Land Bremen war das Thema einer Großen Anfrage, die die rot-grün-rote Koalition an den Senat gerichtet hatte. Heute nun wurden die Antworten debattiert. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Ute Reimers-Bruns, nahm in ihrer Rede die Kassenärztliche Vereinigung (KV) in die Pflicht und mahnte, auch gesetzliche, Verbesserungen auf Bundesebene an.

Ute Reimers-Bruns
Ute Reimers-Bruns

„Die in den vergangenen Jahren an Anzahl und Umfang zunehmenden Krisen, die unseren Alltag belasten – die Klimakrise, Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Krieg in Palästina – wirken sich in zunehmendem Maße auf die psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen negativ aus. Erste wissenschaftliche Untersuchungen zeigen eine Zunahme von psychischen Störungen und Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen, die zu Langzeitfolgen und Chronifizierung führen können“, erklärte Reimers-Bruns. So hätten drei Viertel aller Kinder und Jugendlichen im Herbst 2022 in einer Studie angegeben, dass sie immer noch unter mehr Stress litten als vor der Pandemie.

„Wir sind uns sicherlich einig, dass – wenn eine psychotherapeutische Behandlung angezeigt ist – diese auch sehr schnell beginnen sollte. Das gilt für Erwachsene wie für Kinder und Jugendliche“, sagte die Sozialdemokratin. „Leider hat die Beantwortung der Großen Anfrage festgehalten, dass es schon vor der Pandemie vielfach Beschwerden über die langen Wartezeiten auf einen ambulanten psychotherapeutischen Behandlungsplatz im Land Bremen gab – im Bereich der Versorgung von Erwachsenen wie auch im Bereich der Kinder und Jugendlichen. Diese Situation hat sich durch die Pandemie weiter verschärft. Zwei Entwicklungen sind hierfür verantwortlich:
Zum einen steigt die Zahl behandlungsbedürftiger, stark belasteter Menschen immer mehr an und zum anderen ist die Weitervermittlung in ambulante psychotherapeutische Behandlungen kaum mehr möglich. Zusätzlich belastet wird das Versorgungssystem im Land Bremen durch Versorgungsengpässe im niedersächsischen Umland.“

Dies führe dazu, dass es im Bereich der niedergelassenen Psychotherapeut:innen zu Wartezeiten von sechs Monaten und mehr komme – bis zu einem Erstkontakt und nicht einmal bis zum Beginn einer Therapie. „Eine Ausnahme gibt es hier“, berichtete Reimers-Bruns. „In akuten für die Betroffenen und ihre Umgebung psychischen Notsituationen steht der Kriseninterventionsdienst der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Beratungsstelle und Institutsambulanz (KIPSY) am Gesundheitsamt zur Verfügung. Kinder ab circa sechs Jahren können in dringenden psychischen Krisensituationen auch kurzfristig gesehen werden, gegebenenfalls kann der Krisendienst auch aufsuchend tätig sein. Jugendliche können sich in Krisensituationen auch selber und ohne Terminvereinbarung bei der KIPSY melden.“

Die Antwort auf die Frage, warum Kinder und Jugendliche so lange auf einen ambulanten Therapieplatz warten müssten, sei komplex, führte Reimers-Bruns aus. „Festzuhalten ist, dass die psychotherapeutische Versorgungssituation in der Verantwortung der Kassenärztlichen Vereinigung Bremen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung liegt. Bei der Bedarfsplanung gibt es verschiedene Zuständigkeiten und Steuerungsmöglichkeiten auf Bundes- und Landesebene, die ineinander greifen. Der gemeinsame Bundesausschuss, G-BA, ist gesetzlich beauftragt, einen bundeseinheitlichen Planungsrahmen zu definieren. Auf Landesebene werden durch die Kassenärztlichen Vereinigung im Einvernehmen mit den Krankenkassen Bedarfspläne aufgestellt, die regionale Besonderheiten berücksichtigen können. Der Staat gibt dabei die gesetzlichen Rahmenbedingungen vor. Der Senat in Bremen hat aus diesem Grund wenig Einflussmöglichkeiten auf die Steuerung der psychotherapeutischen Behandlungskapazitäten. Und das ist sehr bedauerlich, denn es zeigt sich in Bremen die Situation, dass Berichte von Fachleuten und Patient:innen über die sehr unzureichende Versorgungslage deutlich von der von der KV festgestellten rechnerischen Überversorgung abweichen.“

Vor diesem Hintergrund kritisierte Reimers-Bruns, dass die KV bestimmte Daten zur Beantwortung der großen Anfrage mit Verweis auf den unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand nicht geliefert habe. „Wir sind darauf angewiesen, dass wir Daten und Fakten bekommen – und hier ist die KV ihrer Verantwortung nicht nachgekommen“, sagte sie – und fand lobende Worte für die gute Zusammenarbeit der beteiligten Ressorts in Bremen. „Angesichts der schwierigen Situation ist es umso wichtiger, dass wir Präventionsangebote nach vorn bringen, und deshalb ist es entscheidend, dass die Ressorts auch weiterhin eng zusammenarbeiten.“

„Wir müssen diejenigen unterstützen, die an der Basis arbeiten. Das sind ja die Psychotherapeut:innen. Die haben ja was davon, wenn ihnen geholfen wird, wenn es in ihren Stadtteilen mehrere Angebote gibt und sie nicht die einzigen wären, die völlig überlastet sind in ihren Praxen. „, betonte Reimers-Bruns abschließend. „Und dafür ist eine Änderung der Bundesgesetze dringend erforderlich.“

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