3 Milliarden Euro umfasst ein Krisenfonds, den die rot-grün-rote Koalition in der vergangenen Woche auf den Weg gebracht hat – 500 Millionen Euro zur Bewältigung der Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine sowie bis zu 2,5 Milliarden Euro für Investitionen in den Klimaschutz bis zum Jahr 2027. Bürgermeister Andreas Bovenschulte stellte die Details heute in einer Regierungserklärung vor. In der anschließenden Debatte betonte der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Mustafa Güngör: „Es geht jetzt um nichts weniger als die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft in Bremen und Bremerhaven im Rahmen einer Zeitenwende! Diese Koalition beweist Handlungswilligkeit und Handlungsfähigkeit in schwieriger Zeit. Klar ist aber ebenso: Die historisch einmaligen Herausforderungen, vor denen wir stehen, verlangen auch Investitionen in historisch einmaliger Höhe.“
„Wir erleben in diesen Monaten eine Zeit sich überlappender und zum Teil miteinander verbundener Krisen: Die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels werden immer deutlicher. Die gravierenden Folgen der Corona-Pandemie treten immer offener zutage – zum Beispiel und gerade im Bildungsbereich. Und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine führt neben vielen Opfern auch zu heftig steigenden Strom- und Gaspreisen. Auch alles andere wird teurer. Die Inflation ist so hoch wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Kurzum: Wir stehen vor den größten sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen seit Jahrzehnten. Und wir nehmen diese Herausforderungen an!“, sagte Güngör.
Entscheidend sei es, in Anbetracht dieser Multi-Krisen-Situation das Große Ganze im Blick zu behalten. Die Ampelkoalition tue dies mit Unterstützungspaketen in dreistelliger Milliardenhöhe, erklärte der Sozialdemokrat. „Und auch unsere rot-grün-rote Koalition in Bremen tut genau das: Wir wollen mit kurzfristigen Hilfen für Entlastungen sorgen, damit die Menschen nach dem Energiepreisschock gut durch den Winter kommen. Und gleichzeitig wollen wir jetzt die Voraussetzungen für einen massiven Investitionsschub schaffen, um die Energieversorgung der Zukunft und den wirtschaftlichen Strukturwandel meistern zu können. Denn eines ist klar: Entweder gelingt es uns, unsere Wirtschaft, Energieversorgung und Gesellschaft klimaneutral umzugestalten – oder unser Wohlstand, Arbeitsplätze und staatliche Handlungsfähigkeit sind in Gefahr.“
Deswegen stünden die rot-grün-rote Koalition und der Senat für das größte Transformationsprogramm der jüngeren Geschichte. „Drei Milliarden Euro zusätzlich – das ist unser Bremer Wumms!“, sagte Güngör und betonte, dass die Bewältigung der von ihm benannten Krisen zusammengehöre. „Richtig ist doch: Entlastungspakete im Zuge von notwendigen Energieeinsparungen dienen sowohl dem Klima, als auch den Menschen und dem sozialen Zusammenhalt. Energieeffiziente Investitionen in Schulen und Kitas nützen sowohl dem Klima, als auch der Bildungsbiografie unserer Kinder und Jugendlichen. Und die Umwandlung unserer Industrie nützt sowohl dem Klima, wie auch der Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaftsstruktur und der Sicherung von Arbeitsplätzen.“ Für die SPD-Fraktion sei dabei die Grundlinie, sich jetzt auf die großen CO2-„Brocken“ zu konzentrieren, um maximale Einspareffekte zu erzielen: Die weitreichende Umstellung von Energieversorgung von Gebäuden, die Umrüstung von Antriebstechnologien für einen echten Beitrag zur Verkehrswende und – vor allem – den Umbau der Stahlindustrie. Eine Umstellung des Stahlwerks auf eine klimaneutrale Produktion bis Anfang der 30er-Jahre würde nicht nur die Hälfte der gesamten Bremischen Treibhausgase einsparen, so Güngör. „Es bedeutet auch die Sicherung tausender Arbeitsplätze sowie immense Wettbewerbsvorteile für unsere Wirtschaft. Das ist eine echte Sprunginnovation – und deshalb brauchen wir für diese zukünftige Infrastruktur ab jetzt konkrete öffentliche Investitionsvorhaben in dreistelliger Millionenhöhe.“
Klar sei, dass die SPD-Fraktion und die ganze Koalition darauf achten werde, dass Maßnahmen im Rahmen des Krisenfonds greif- und umsetzbar seien. Klar sei aber auch, dass die Investitionen nicht im Rahmen der laufenden Haushalte bewältigt werden könnten. „Wir müssen und werden für dieses Programm auch Schulden machen. Und ja: Wir tun dies im Rahmen der Schuldenbremse, da sowohl der Krieg in der Ukraine und Angriff auf unsere Energieversorgung als auch der Klimawandel eine außergewöhnliche Notlage darstellen, die sich der Kontrolle Bremens entzieht“, sagte Güngör – und sprach sich grundsätzlich erneut dafür aus, die Schuldenbremse generell zu überwinden. Sie sei aus der Zeit gefallen. „Was heißt heute Generationengerechtigkeit? Ist es wirklich die schwarze Null, Haushalte ohne Kreditfinanzierung und die Einhaltung dieser stets drohenden Investitionsbremse? Oder ist es wirksamer Klimaschutz, gute Bildung für unsere Kinder und Jugendlichen und eine funktionierende öffentliche Infrastruktur? Ich bin nicht für uferloses Schuldenmachen, schon gar nicht in Anbetracht der aktuellen Entwicklung von Zins und Tilgung“, sagte er. „Es gilt, verantwortlich und verantwortbar mit den finanziellen Ressourcen umzugehen. Und ich bin dafür, dass wir miteinander darüber reden, was für die Zukunft wirklich wichtig ist.“
Eine Absage erteilte Güngör in seiner Rede dem Vorschlag einer Klimaanleihe aus den Reihen der CDU. Diese sei nicht wirtschaftlich, nicht zielgenau, nicht sozial gerecht und nicht ausgereift. Und vor allem sei sie eine – leicht zu entlarvende – Mogelpackung, denn am Ende gehe es nur um Schuldenmachen durch die Hintertür. Güngör: „Deswegen ist diese Klimaanleihe ein Schuss in den Ofen!“
„Tatsache ist: Niemand von uns weiß, wie die Welt in zwei Jahren aussieht“, so Güngör abschließend. „Unsere Planungen mit drei Milliarden Euro basieren auf der heutigen Situation. Steigen die Zinsen weiter, muss die nächste Regierung womöglich die eine oder andere Maßnahme aufschieben. Steigen die Steuereinnahmen, müssen vielleicht weniger Kredite als gedacht aufgenommen werden. Zieht sich der Angriffskrieg auf die Ukraine über die kommenden Jahre, wird die nächste Koalition wahrscheinlich weitere Maßnahmen zur Entlastung der Menschen beschließen müssen. Kommt eine weitere, gefährliche Mutation des Corona-Virus – wonach es heute glücklicherweise nicht aussieht – verändert sich die gesamte Agenda erneut. Aber all das wissen wir nicht. Was wir aber wissen, ist, dass wir jetzt etwas Großes tun müssen – und dass wir uns auch zutrauen müssen, etwas Großes zu tun. Das ist vorausschauende und verantwortungsvolle Politik!“
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